Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
zusammen. Er wollte sich nicht anmerken lassen, wie ungern er über diese Zeit sprach. „Mich hat die Aufgabe gereizt, die OSZE direkt vor Ort bei ihren friedensschaffenden Maßnahmen zu unterstützen.“ Er sah der Journalistin in die Augen und dachte: Belassen wir es dabei . Keinesfalls wollte er vor laufender Kamera zu seiner letzten Mission befragt werden. Sie erwiderte den Blick, während sie sagte: „Im Januar 1999 haben Sie als OSZE-Beobachter an der Mission im Kosovo teilgenommen. Die Serben hatten einen Truppenrückzug versprochen, und die albanische Untergrundarmee UCK wollte einen beiderseitigen Waffenstillstand akzeptieren.“
Parkers Gesichtszüge verhärteten sich. Was sollte diese Frage? Seine Zeit im Kosovo hatte doch nichts mit seiner Russlandreise zu tun!
Mitfühlend schaute sie ihn an. „Sie waren damals auf dem Weg in die Stadt Peć, die im Westen des Kosovo liegt, und begleiteten einen Konvoi, als sich ein schrecklicher Unglücksfall ereignete.“
Er fixierte die Journalistin, und in seinem Kopf stiegen die Erinnerungen auf. Erkonnte das Gefühl der Unausweichlichkeit und der Ohnmacht schmecken. Bitter und brennend war es. Unwillkürlich nahm er einen Schluck Wasser aus dem bereitstehenden Glas.
Die Journalistin sah ihn unverändert fragend an.
„Richtig“, sagte er tonlos.
„Bis heute konnte nicht restlos aufgeklärt werden, was damals genau geschehen ist“, sagte sie und blickte ernst in die Kamera.
Parker nickte. Die Bitterkeit lag auf seiner Zunge, während sein Rachen lichterloh brannte.
Sie hielt ihm auffordernd das Mikro hin.
„Das stimmt“, sagte er. „Es gab im Januar 1999 einen Anschlag auf unsere Gruppe. Und man weiß bis heute nicht, wer den Hinterhalt gelegt hat.“
„Selbst die OSZE hat nie Auskunft über den genauen Zweck Ihrer damaligen Mission gegeben“, insistierte die Journalistin. „Außer dass Sie die Einhaltung des Waffenstillstands überprüft haben, ist nichts bekannt.“
Ihn beschlich ein Gefühl der unendlichen Traurigkeit, als er an den verhängnisvollen Tag dachte.
„Auch ich möchte nicht mehr dazu sagen“, antwortete er schließlich. „Noch heute ist das Leben von Menschen in Gefahr, die uns damals geholfen haben. Für diese Leute ist Vertraulichkeit eine Lebensversicherung.“
„Mindestens ein OSZE-Mitarbeiter aus Ihrer Gruppe soll sein Leben bei dem Angriff verloren haben“, sagte die Journalistin.
Er spürte, wie er zunehmend verkrampfte und sich Kälte in ihm ausbreitete. Er warf der Moderatorin einen durchdringenden Blick zu. „Das ist leider wahr. Ian Fowler, ein langjähriger Mitarbeiter der OSZE, wurde durch einen Heckenschützen tödlich verletzt“, antwortete er schließlich mit steinerner Miene. Noch heute hörte er in seinen Träumen das Schluchzen von Ians französischer Ehefrau bei der Beerdigung in Nordwales.
„Pourquoi?“, hatte sie ihm im walisischen Regen ins Ohr geflüstert, als er sie tröstend vor dem offenen Grab umarmt hatte.
Er atmete kurz aus, bevor er fortfuhr: „Ich bin dann im März 1999 nach dem Ausbruch des Kosovo-Krieges und dem Abzug der OSZE aus der Region schließlich dem Ruf nach Heidelberg gefolgt.“
„Das kann ich gut verstehen.“ Die Journalistin hakte zu seiner Überraschung nicht weiter nach. Er mutmaßte, dass die fortgeschrittene Sendezeit, welche die große Studio-Uhr in roten Lettern anzeigte, ihn vor weiteren Fragen bewahrt hatte.
„Wenden wir uns jetzt der anstehenden Moskau-Reise der Kanzlerin zu. Sind Sie der deutsche Ali Baba, der die geheime Sesam-öffne-dich-Formel kennt, um in die fest verschlossenen Schatzkammern Moskaus einzudringen?“
Er schüttelte leicht den Kopf. „Ich fürchte, mit dem berühmten Ali Baba kann ich mich nicht messen, und ich glaube auch nicht, dass im Kreml vierzig Räuber sitzen.“
Sie sah ihn für einen kurzen Augenblick verdutzt an. Eine leichte Röte flackerte an ihrem Hals auf. „Haben Sie dennoch etwas im Gepäck, das uns und Ihnen Hoffnung auf die Rückgabe von weiteren Kunstwerken machen könnte?“
„Ich denke schon.“
Ihre Augen weiteten sich. „Verraten Sie es uns!“
Parker sah auf der Studiouhr, dass die letzten Sekunden der Sendung liefen, und hielt einen Moment inne, bevor er weitersprach. Er wog seine Worte ab. „Die Rückgabe der Beutekunst berührt nicht nur juristische Fragestellungen, sondern im Wesentlichen politische Überlegungen. Die Meinungsverschiedenheiten über den Verbleib der Kulturgüter sind im Kern ein
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