Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
Test für die Belastbarkeit der Freundschaft beider Völker. Hierin liegt eine große Chance – wenn wir das unermessliche Leid nie vergessen, welches das russische Volk im Zweiten Weltkrieg erfahren hat. Nur wer diese Realität akzeptiert, kann Lösungen finden. Wir brauchen also vor allem Verständnis und Zuneigung für das russische Volk.“
Bei seinem letzten Wort zeigte die digitale Uhr noch genau drei Sekunden an. Hastig beeilte sich die Journalistin, ihre Ab-Moderation loszuwerden.
Kaum war die Übertragung beendet, drehte sie sich zu ihm um und fragte mit einem kecken Blick: „Was machen Sie eigentlich heute Abend? Haben Sie zufällig Lust, gemeinsam etwas essen zu gehen?“ Ohne ihn aus den Augen zu lassen, zauberte sie ein Päckchen Zigaretten hervor und bot ihm eine an.
„Nein, danke“, sagte er. „Ich habe vor zwei Jahren das Rauchen aufgegeben.“
Sie zündete sich eine an und blies den Rauch an ihm vorbei. „Und Journalistinnen zum Essen einzuladen, haben Sie das auch aufgegeben?“
Sie war ein attraktiver, nordischer Typ. Mit Augen wie ein Husky unter beinahe weißen Brauen. Für einen Moment war er versucht, das unliebsame Treffen am späten Abend gegen ein Dinner mit dieser aparten Journalistin einzutauschen, aber dann gab er sich einen Ruck. „Ich bin schon vergeben. Tut mir leid.“
Für 23 Uhr hatte das Sekretariat von Frau Rechtsanwältin Dr. Anne Kreifelts einen Tisch für zwei Personen im Restaurant Borchardt in Berlin-Mitte reserviert. Dr. Kreifelts würde an diesem Tag von einem einwöchigen Businesstrip aus New York zurückkehren und gegen neun Uhr in Berlin landen, hatte man ihm ausrichten lassen, und würde sich sehr freuen, ihn zu sehen.
Nachdenklich blickte Parker der Journalistin nach, die ihm noch ein „Mir auch“ zugeworfen hatte und nun auf den Aufnahmeleiter zuging. Mit gemischten Gefühlen dachte er an sein nächtliches Rendezvous mit Anne.
Kapitel 2
Vom Brandenburger Tor bis zum Bundeskanzleramt waren es nur wenige hundert Meter. Im siebten Stock der deutschen Regierungszentrale verfolgte die Bundeskanzlerin von ihrem Schreibtisch aus das Interview mit Parker auf einem Flachbildschirm an der Wand.
Als Parker sein Schlusswort gesprochen hatte, drückte sie mit missbilligender Miene auf den Knopf der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. Parker machte Politik und gab mit seiner Parole Verständnis und Zuneigung die Richtung ihrer Reise vor. Sie verzog den Mund, auch wenn ihre Verärgerung über dieses nicht abgesprochene Vorpreschen schon fast wieder verflogen war. Bis zum März war noch mehr als genug Zeit, um dem jungen Mann gehörig den Kopf zu waschen.
Und überhaupt war die Reise nach Moskau zurzeit ihr geringstes Problem.
Grübelnd wanderte ihr Blick auf den vor ihr liegenden Bericht des Bundeskriminalamts, den sie bereits zweimal durchgegangen war. Es handelte sich um ein Dokument der Hilflosigkeit, wie sie es noch nie zuvor vorgelegt bekommen hatte. Der Polizeibericht bezog sich auf die Überwachung einer Wohnung in Berlin-Mitte, die nicht unweit ihrer eigenen lag. Das hundert Quadratmeter große Appartement befand sich in einer gehobenen Wohnanlage und war nach allen Regeln der Kunst verwanzt worden. Ungläubig hatte die Regierungschefin gelesen, dass jeder Raum mit drei winzigen über Funk gesteuerten Mikros überwacht wurde. Selbst der Balkon, das Treppenhaus und der Kellerbereich waren vor den Abhörspezialisten des BKA nicht sicher gewesen. Die Telefonüberwachung umfasste das Festnetz und die zwei Handys. Das Haus selbst wurde von einem vierköpfigen Team observiert, Ablösung alle sechs Stunden. Die Kanzlerin massierte sich die Schläfen. Dass kein Beamter unter dem Bett gelegen hatte, war alles.
Das Papier verzeichnete auf die Minute genau sämtliche Geschehnisse, die sich gestern Abend in der Wohnung zugetragen hatten. Es gab exakt zwei Eintragungen:
21:58: Ankunft der Rechtsanwältin
22:13: Duschgeräusche
Um 22.26 brach das Protokoll mit dem lapidaren Eintrag ab: Ende der Überwachungsmaßnahmen.
Bedächtig spreizte sie ihre Finger, drückte die Fingerkuppen ihrer Hände gegeneinander und ließ die Hände dann nach unten kippen. Sie betrachtete gedankenverloren das so entstandene umgedrehte Dreieck und stieß langsam den Atem aus.
Noch immer konnte sie es kaum glauben. Irgendjemand hatte dem BKA gegen 22 Uhr den Befehl erteilt, die Überwachung der Rechtsanwältin abzubrechen. Daraufhin waren die Polizisten vollständig
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