Der Königsberg-Plan: Thriller (German Edition)
konzentriert den Museumsfußboden. „Was glaubst du, Ben? Warum haben die Deutschen die Büste nach der Ausgrabung 1912 noch über zehn Jahre lang versteckt gehalten?“
Er zuckte mit den Achseln. „Weil Borchardt den Grabungsfund geheim halten wollte, nehme ich an. Er fürchtete, seine Grabungslizenz zu verlieren, wenn zu viel Aufhebens um die Büste gemacht wird.“
„Das spricht doch Bände, oder?“ Sie schaute ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Die Bundesregierung weiß genau, dass damals nicht alles mit rechten Dingen zuging. Und jetzt haben sie einen Riesenbammel davor, dass ihnen die Ägypter die entführte Königin wieder abnehmen.“
In gespielter Besorgnis zog er die Augenbrauen in die Höhe. „Falls das stimmt, sollte man vielleicht besser die Sicherheitsvorkehrungen im Museum verstärken, was meinst du?“
„Lass die Witze, Ben!“ Ihre rötlichen Augenbrauen bildeten ein eindrucksvolles V. „Deutschland hält die Nofretete zurück. Man ist noch nicht einmal bereit, sie den Ägyptern als vorübergehende Leihgabe auszuhändigen. Der Bundestag hat eine entsprechende Bitte rundheraus abgelehnt. Der Zustand der Büste vertrage angeblich eine mehrmonatige Verlagerung nicht.“ Empört schaute sie ihn an.
Er umarmte ihre Taille, was sie zuließ, wobei sie jedoch weiterhin auf eine gewisse körperliche Distanz achtete. „Nofretete war eine Göttin, eine Urmutter Ägyptens und die schönste Frau der Welt. Einzigartig und untrennbar mit der ägyptischen Kultur verschmolzen! Und das alles soll keine Bedeutung haben, weil vor hundert Jahren irgendein ignoranter Beamter in einer untergeordneten Behörde eine Ausfuhrgenehmigung erteilt hat?“
Wie immer, wenn sie sich in eine Sache hineinsteigerte, röteten sich zu seiner Freude ihre Wangen. Er hatte Lust, sie zu küssen und mit ihr aus dem Museum zu verschwinden.
„Ben, sei ehrlich. Die Nofretete gehört nicht nach Berlin. Geben wir sie den Ägyptern zurück!“
„Nichts gegen deine Solidarität mit dieser ägyptischen Schönheit, aber du verschweigst einen entscheidenden Umstand: Noch nicht einmal die Ägypter fechten die damalige Ausfuhrgenehmigung an. Die übrigens auch nicht von irgendeiner untergeordneten Behörde, sondern von der damals zuständigen ägyptischen Altertumsverwaltung erteilt wurde. Wie zuvor vereinbart, hat Borchardt seine Funde mit den Behörden geteilt, und zwar à moitié exact e. Die Ägypter haben den berühmten Klappaltar von Kairo erhalten und wir eben die Nofretete.“
„Der Klappaltar ist wahrscheinlich eine Fälschung, die Borchardt selbst hat anfertigen lassen, um sich Nofretete unter den Nagel zu reißen.“ Er spürte den Druck ihrer Hände, die sich von seinem Arm befreien wollten, tat aber so, als habe er nichts bemerkt, und fuhr ungerührt fort: „Alles reine Spekulation.“
„Aber eines ist keine Spekulation.“
„Und das wäre, Frau Rechtsanwältin?“
Sie bändigte ihren voluminösen Haarschopf mit einer goldfarbenen Spange, bevor sie weitersprach. „Ägypten war zum damaligen Zeitpunkt ein Vasall des Osmanischen Reiches, aber in Wirklichkeit herrschten die Briten über Ägypten. Sie hatten bis 1922 ein Protektorat errichtet und kontrollierten das Nilland. Die Ausfuhrgenehmigung der Nofretete wurde somit gar nicht von den Ägyptern erteilt, sondern von den Türken mit Billigung der Briten. Eine freie Entscheidung der ägyptischen Regierung oder gar des Volkes über Nofretetes Ausfuhr hat es somit nie gegeben.“ Sie blickte ihn triumphierend an.
Dass war, wie er wusste, der perfekte Augenblick für einen Kuss. Doch er ließ ihn verstreichen und fragte sie stattdessen nach einer Weile so beiläufig wie möglich: „Sag mal, du Hofanwältin der Pharaonen, könntest du dir rein theoretisch auch vorstellen, die Bundesrepublik Deutschland in einem Rechtsstreit über Nofretete gegen die Ägypter zu verteidigen?“
Sie schaute ihn verblüfft an.
„Zu einem angemessenen Honorar selbstverständlich“, ergänzte er mit gespielt ernster Miene.
„Selbstverständlich, ich bin Rechtsanwältin!“
„Das ist sehr beruhigend“, sagte er und gab ihr einen Kuss auf den Mund. Dann zog er sie mit sanfter Kraft von der Nofretete weg.„Komm, du Schöne!“
Tief in diesen Erinnerungen versunken, war er die große Freitreppe des Alten Museums emporgestiegen und befand sich nun im Eingangsbereich.
Warum sollte er der schönen Ägypterin nicht einen kleinen Besuch abstatten? Zeit hatte er genug.
Er zog
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