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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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wissen nicht sicher, ob der Vogel nicht sogar direkt aus dem Wald stammt. Ich glaube, wir sollten weiter nach Süden gehen - ein Vogel folgt auch nur einer Richtung und keinen Wegen am Boden. Der Pfad hier wird von Jägern
und Abenteurern genutzt, die keine Angst vor Hexen und Ammenmärchen haben. Und dazu gehören wir doch wohl, oder?« Er zwinkerte ihnen zu, und Cephei grinste breit.
    Nur Vela schielte beunruhigt unter die Bäume. Der Schatten, den sie den ganzen Tag ersehnt hatte, schien ihr nun wohl zu dunkel und der Waldpfad allzu schmal und einladend für Räuber und anderes Gesindel. An die Hexen, bösartigen Kobolde, menschenfressenden Bäume und Riesenspinnen aus den Geschichten der Alten gar nicht zu denken.
    »Ich gehe voraus, Vela folgt mir, dann du. Bleibt bei mir und achtet gut auf alles, was sich neben dem Weg tut.« Urs blickte noch einmal zurück, bevor er in den Wald eintauchte. »Wenigstens ist uns niemand gefolgt.«
    Wer sollte uns auch folgen und warum?, fragte sich Cephei, als er als Letzter unter die Bäume trat. Solch ein Vogel hatte doch keine Verbündeten in der Stadt. Wahrscheinlich ging Urs als erfahrener Kämpe jedoch nur auf Nummer sicher. Dennoch zog Cephei seinen neuen Dolch und sah sich immer wieder um, während sie dem Pfad folgten.
    Schon nach wenigen Schritten hatte der Rauschwald sie verschluckt, Äste hingen über den Weg, der nun nicht mehr schnurgerade verlief, sondern immer wieder gigantischen Bäumen auswich. Als sich Cephei zum ersten Mal umdrehte, war der Anfang des Pfads hinter ihnen schon verschwunden, und er konnte das offene Feld nicht mehr sehen.
    Es war dämmrig unter den Bäumen, Licht fiel kaum hindurch, und Cephei fragte sich, wie die Nacht werden würde, ganz ohne den Schein der Sterne und des Mondes.
    Die rauschende Melodie, die mal leiser, mal lauter um sie wehte, nie stärker als ein Flüstern, doch immer gegenwärtig,
schien ohne das Sonnenlicht noch dunkler und fremder. Cephei sah, dass Vela vor ihm die Schultern verkrampft zusammenzog, und er selbst hatte Gänsehaut auf den Unterarmen. Ob es an der plötzlichen Kühle unter den Bäumen lag oder an der Melodie, wusste er nicht. Als er merkte, dass er sie noch immer mitsummte, wollte er darüber lachen, aber es gelang ihm nicht. Ein Lachen hätte sich nicht in das Lied des Waldes eingefügt, und so ließ er es bleiben.
    Es roch auch ganz anders als in der Stadt, ein bisschen wie Urs’ Pfeife. Manchmal aber auch süß und schwer, immer wenn sie einen dieser großen Bäume passierten, um die sich mit blauen Blüten überzogene Lianen wanden.
    »Das sind Mitternachtsblumen«, erklärte Urs und erzählte ihnen von dem gewitzten Herrn Galawurz.
    Der hatte täglich sein Schwert mit dem Extrakt der blauen Blüten eingerieben, so dass die Klinge von allein leuchtete und ihm in der Nacht den Weg wies. Mit diesem Trick hatte er abergläubische Wegelagerer in die Flucht schlagen können, die sich vor Zauberei fürchteten, ohne auch nur einen einzigen Hieb führen zu müssen.
    »Leider wurde der Herr Galawurz von einem weniger abergläubischen Wegelagerer erschlagen, weil dieser unbedingt in den Besitz des leuchteten Schwerts kommen wollte.« Urs nickte betrübt. »Der Räuber hielt es für ungemein wertvoller, als es tatsächlich war.«
    Cephei musste grinsen. Er hörte immer gern Geschichten von Rittern, aber vor allem war er froh, dass Urs überhaupt etwas gesagt und damit die unheimliche Stille durchbrochen hatte.
    Während sie tiefer in den Wald gingen, staunte er über die Größe der Bäume und die Vielfalt der Pflanzen.

    »Die blühen schön, die Mitternachtsblumen«, bemerkte sogar Vela.
    »Ja, daheim habe ich die Blüten immer gepflückt und der schönen Eldara geschenkt. Aber sie hat dann doch einen anderen erwählt, einen, der ihr Blumen und Pralinen aus dem Westen schenkte.«
    »Oh, du Armer.« Vela sah ihn mitleidig an.
    »Nein, nein.« Urs lachte, und sein Lachen übertönte für ein paar Augenblicke die Melodie. »Sie hat sich als furchtbarer Hausdrachen herausgestellt und keift von früh bis spät. Ich bin froh, ihr nicht in die Falle getappt zu sein.«
    Urs gab noch weitere Geschichten zu den Pflanzen und von heldenhaften Rittern zum Besten, und langsam gewöhnte sich Cephei an den Wald. Er fühlte sich noch immer nicht richtig wohl hier, aber er steckte den Dolch wieder ein.
    Es war eben etwas ganz anderes als Marinth. Dort in den Gassen, aber auch in Dorados Gasthof, wurde es nie wirklich ruhig.

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