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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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zu halten.
    Der Weg führte sie durch die Mondweizenfelder, die vor der Stadt lagen und von denen das Material für die berühmten Strohbilder stammte. Reglos standen die fast mannshohen wei ßen Ähren in der Sonne, ein silberner Schimmer lag über ihnen wie Tau. Ein paar Körner waren auf die Straße gefallen und lagen dort wie große metallische Tränen.

    Auf den Feldern standen in gleichmäßigen Abständen drei oder vier Schritt große Vogelscheuchen. Es waren schrill bunte, vielgliedrige mechanische Monster, die üblicherweise von Windrädern über ihren Fratzenköpfen angetrieben wurden. Mit den langen Armen schlugen sie nach gierigen Vögeln, und aus ihren Mundöffnungen drang gelber Rauch, den die Vögel nicht mochten. Als Vela noch klein gewesen war, hatte sie sich bei ihrem Anblick furchtbar erschrocken, doch mittlerweile fand sie die Vogelscheuchen eher lustig. Doch in der momentanen Windstille standen sie reglos und stumm und dienten den Vögeln als Sitzgelegenheit.
    Die kleinen Weiler und Höfe in Marinths Süden lagen weiter auseinander als jene in östlicher Richtung. Es handelte sich um alte Besitztümer, die schon Jahrhunderte denselben Familien gehörten und langsam verfielen, weil die jungen Leute in die Stadt hineinzogen oder ihr Glück in Athago oder den aufkommenden Manufakturen in Kerburg versuchten.
    Je weiter sie sich von der Stadt entfernten, umso seltener begegnete ihnen jemand. Wenn ihnen jetzt Leute entgegenkamen, legte der Bär die Hand auf seinen Schwertknauf, als rechne er jedes Mal mit einem Überfall. Ein paarmal sah er über seine Schulter, aber wenn sie ihn fragte: »Was ist?«, antwortete er nur: »Nichts.«
    Die Kunde vom Raub des Königsschlüssels war jedoch auch hierhin gedrungen, und so wurden sie dreimal von Bauern oder Knechten angesprochen und nach Neuigkeiten aus der Königsstadt gefragt. Einer behauptete sogar, den Klippengeier gesehen zu haben, wie er über die Felder davonflog.
    Am Ende der Felder kamen sie an einer großen Scheune vorbei, in der Süßzwiebeln eingelagert wurden, wie der Geruch
schon von weitem verriet. Hektisch liefen Arbeiter herum, denn die Erntezeit war schon fast überschritten, und wenn man die Zwiebeln nicht rechtzeitig aus der Erde zog und trocken einlagerte, schimmelten sie.
    Als die Arbeiter sie kommen sahen, hielten sie dennoch inne und stellten sich ihnen in den Weg. Ihre Gesichter und Oberkörper waren von der Feldarbeit tief gebräunt und die Haut wettergegerbt.
    »He, ihr!«, rief ein großer Mann mit einem breiten Kreuz, der in der Hand eine erdverkrustete, dreizackige Zwiebelharke hielt und in dessen Blick wenig Freundlichkeit lag. »Ihr kommt doch aus der Stadt. Gibt es da etwas Neues zu berichten?«
    Urs schüttelte den Kopf, seine Hand lag noch immer auf dem Schwertknauf.
    Der Mann starrte sie weiterhin mürrisch an. »Habt ihr unterwegs den Kanzler gesehen? Sonst lässt der sich ja nur blicken, wenn er die Steuern erhöht, aber jetzt kann man wohl erwarten, dass er seinen vornehmen Hintern hierherschwingt und sagt, was nun ist.«
    Ein anderer Arbeiter brummte: »So eine verflixte Sache. Bringt alles durcheinander … was will denn ein Vogel mit dem Schlüssel?«
    Vela und Urs konnten nur wiederholen, was sie auch den anderen schon gesagt hatten: Sie wussten nicht, was der Kanzler unternehmen würde, um die Lage im Land zu beruhigen. Die Antwort gefiel den Männern nicht.
    Dass die auserwählten Ritter ihre Zeit versoffen, erwähnten sie daher nicht.
    Der Arbeiter mit der Zwiebelharke besah sich kritisch den Bären, und Vela und runzelte die Stirn. »Und wo wollt ihr hin?«

    »Zum Rauschwald.« Mehr wollte Vela nicht erzählen, und Urs nickte nur knapp, während die Männer sie ansahen, als wären ihnen zweite Köpfe gewachsen.
    »Allein? Nur ein Bär und ein Mädchen? Das ist viel zu gefährlich.« Der Ton des Mannes wurde misstrauisch. Sein Blick tastete sie ab, als suche er nach verborgenen Waffen.
    Auch die anderen Männer runzelten jetzt die Stirn und raunten einander leise Worte zu. Einer spuckte einen großen Batzen Speichel zu Boden.
    Vela bekam ein ungutes Gefühl. Sie zog Urs am Schwertgürtel. »Komm«, sagte sie, »wir müssen weiter.«
    Der Bär hob kurz die Pranke, dann folgte er Vela, die unruhige Blicke über die Schulter zurückwarf. Die Feldarbeiter sahen ihnen noch nach, bis sie hinter einer Wegbiegung verschwunden waren. Erst dann atmete Vela erleichtert auf.
    »Du darfst es ihnen nicht übel nehmen«, sagte

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