Der Königsschlüssel - Roman
aus. Kannst du laufen?«, fragte er, und sie trat vorsichtig auf, humpelte dreimal im Kreis und nickte dann.
»Gut, dann lasst uns noch ein Stück weit gehen. Hier will wahrscheinlich keiner von uns bleiben.«
Cephei nickte, und Vela sah ihn komisch an, fragend und wütend zugleich.
»Warum hast du mich geschnitten?«
»Aber, ich wollte …«
»Wollte, wollte, wollte. Wenn du mit einem Dolch nicht umgehen kannst, dann lass es halt sein. Das ist kein Kinderspielzeug!«
»Vela! Jetzt lasst uns gehen, streiten könnt ihr später«, brummte Urs.
Und so gingen sie schweigend weiter, langsamer als bisher. Urs sah vorsichtig in alle Richtungen, und Vela hinkte. Cephei trottete hinterher. »Hab’s doch nur gut gemeint. Und sicher hätte ich richtig getroffen, wenn Vela nicht so gezappelt hätte«, murmelte er vor sich hin.
Trotzdem schämte er sich. Wie wollte er ein guter Knappe und später gar Ritter werden, wenn er bei der ersten Gefahr diejenige verletzte, die er beschützen wollte? Angst hatte er gehabt, er war ein Feigling, und ohne Urs wären er und Vela jetzt wahrscheinlich tot und bereits halb verdaut. »Ist wirklich ungerecht, dass Urs kein Ritter ist. Das hätte selbst Herr Pavo nicht viel besser machen können«, murmelte Cephei.
Was der Ritter wohl in diesem Moment tat? Hatte er sich bereits mit den anderen Turniersiegern auf den Weg gemacht oder saßen sie noch immer feige im Wirtshaus? Die größte Gefahr, die dort drohte, war eine Ohrfeige der Schusterstochter, wenn ein frecher Kerl ihr an den Hintern fasste.
Als es schon fast dunkel war, erreichten sie eine kleine Quelle in der Mitte einer Felsformation. Kaltes, klares Wasser sprudelte hier aus dem Boden, wurde zu einem Rinnsal und floss schräg zum Weg zwischen den Bäumen davon. Andere Wanderer hatten Worte und einfache Bilder in den Stein geritzt. Eine Warnung sagte: Kehr um,Ahnungsloser! Und ein anderer hatte daruntergesetzt: Da lang?
»Perfekt!«, sagte Urs. »Hier schlagen wir unser Lager auf.«
Cephei ließ den Rucksack zu Boden gleiten und machte sich daran, seinen Schlafplatz zu bereiten. Er sammelte kleine Zweige und Äste, rupfte Gras aus und suchte Moos. Das alles schichtete er zu einer Liegestatt, über die er dann den Mantel legte, in den er sich einwickeln würde.
Als er zu Vela sah, musste er grinsen. Sie mühte sich ab, denn sie wusste nicht, wie man ein Nachtlager weich polsterte. Morgen würde sie über blaue Flecken jammern. Wahrscheinlich hatte sie noch nie auf dem Boden geschlafen. Cephei schon. Wenn Dorado ihn bestrafen wollte, musste er manchmal im Stall schlafen, oder auch wenn er seine Kammer vermietet hatte, weil die anderen Zimmer belegt waren und der Gast gut zahlte. Das hatte ihn abgehärtet.
Morgen würde er ihr vielleicht zeigen, wie man ein Nachtlager bereitete, aber heute sollte sie ruhig mal ungemütlich schlafen, das würde ihr nicht schaden. Ganz verziehen hatte
er ihr noch nicht, dass sie ihn in der Stadt hatte zurücklassen wollen.
Inzwischen hatte Urs ein Feuer entfacht, und als Vela mehr schlecht als recht ihre Schlafstätte bereitet hatte, machte sie sich daran, ein karges Abendbrot aus Früchten, Pilzen und einem Nager zu bereiten, der mehr für den Geschmack der Brühe brachte als für den Magen. Urs hatte das Tier in einer Höhle in der Nähe der Quelle aufgestöbert.
Während sie den Nachtplatz herrichteten, sprachen sie kaum miteinander, jeder konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Erst als der Eintopf dampfte, setzten sie sich um das Feuer und begannen, sich Geschichten zu erzählen.
Vela berichtete von ihrem Heimatdorf, von dem großen Turm und ihrer Mutter, dabei legte sich ihre Stirn in Falten, was Cephei nicht verstand. Schließlich hatte Vela eine Mutter, die sich um sie sorgte, das war immerhin besser als sein Leben bei Dorado.
Darüber wollte Cephei auch nicht viel erzählen, er berichtete lieber davon, wie er zusammen mit Equu Jagd auf die Stadtkatzen gemacht hatte, weil sie mal wieder Fladen vom Kühlstein geklaut hatten, der hinterm Haus stand. Bei einer solchen Jagd hatte er sich einmal beinahe das Genick gebrochen, als er über eine kleine Mauer gesprungen war, hinter der es plötzlich in die Tiefe gegangen war, weil sich dort ein leerer Kornspeicher im Boden befand. Zum Glück hatte er sich noch an einem Ast festhalten können, der über dem Loch hing, sonst wäre es vielleicht mit ihm zu Ende gewesen.
Als er die Episode erzählte, lachte Urs, und Vela schüttelte den Kopf,
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