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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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hatte.
    »Ja, nun, viel ist das nicht, aber wir können ihn ja auch nicht zwingen«, stellte Urs fest. »Außerdem ist Cephei wirklich nützlich. Dass er jemandem heimlich folgen kann, hat er bewiesen. Und einer mehr schadet doch nicht.«
    »Er soll zurückgehen!«, forderte Vela noch einmal, genau als Cephei feststellte: »Ich werde auf keinen Fall zurückgehen!«
    »Doch, du wirst!«
    »Werde ich nicht! Das ist nicht deine Straße, ich kann hingehen, wohin ich will!«
    So standen sie einander gegenüber, keifend und stierend, bis sich Urs zu Vela hinunterbeugte und ihr ins Ohr flüsterte: »Er wird nicht zurückgehen, glaub mir. Der Junge ist stur. Und ich kann’s ihm nicht verübeln«, setzte er noch hinzu, während er sich schon abwandte und auf seine zusammengebundenen Rucksäcke deutete. »Wenn du schon nicht umkehren willst, dann mach dich wenigstens nützlich. Ich schnall dir den kleinen Rucksack los. Trag deine Last, und du kannst mitkommen. Machen wir das Beste daraus.«

    Vela wollte aber nicht das Beste aus irgendetwas machen. Sie war wütend, dass Urs über ihren Kopf hinweg entschied. Es war schließlich ihr Vater - und auch ihr Geld!
    Aber was sollte sie machen? Die Reise hatte begonnen, und sie brauchte Urs. Reglos sah sie zu, wie sich Cephei den Rucksack überwarf und dann hinter dem Bären hertrottete. Kurz sah er über die Schulter zu ihr zurück und grinste sie an.
    »Nützlich - dass ich nicht lache.« Wütend stampfte sie den beiden nach.

IM RAUSCHWALD
    Im Laufe der nächsten Stunden hatte sie genügend Zeit, ihre Wut abzukühlen, während die Schritte langsamer und die Rucksäcke schwerer wurden. Die drei schwitzten in der Sonne und unter der Last ihrer Proviantbeutel. Sie sprachen kaum noch miteinander, ihr Atem ging schwer, und vor allem Vela und Cephei sehnten eine Rast herbei. Wenigstens hätten sie bald den Wald erreicht, und das bedeutete Schatten.
    Der Gedanke war so verlockend, dass alle dunklen Geschichten über den Wald vergessen waren. Außerdem hatten sie Urs dabei, und Cephei war sicher, dass er wusste, was zu tun war, auch wenn er kein Ritter war. Oder vielleicht gerade, weil er kein Ritter ist, dachte er, als ihm die Turniersieger einfielen.
    Stetig stapften sie voran. Der Wald, der mittags lediglich als dunkler Streifen am Horizont erschienen war, lag nun vor ihnen. Cephei musste an eine schwere bedrohliche Gewitterwolke denken, nur dass der Wald von dunklem Grün war, durchmischt mit Schatten, die direkt über dem Boden saßen. Er fühlte Spannung in der Luft und erwartete, jederzeit das tiefe Grollen eines Donners zu hören, während sie weiter auf den Wald zuschritten.
    Die Pflastersteine unter ihren Füßen waren von schmutzigem Grau und an vielen Stellen ausgetreten, doch wer die Platten so abgenutzt hatte, konnte sich Cephei beim besten Willen nicht vorstellen. Weit und breit waren sie die einzigen Menschen.
    »Hört ihr das auch?«, fragte Vela vorsichtig, als sie nur noch zwei, drei Kornfeldlängen von den ersten Bäumen entfernt
waren, und die beiden anderen blieben stehen und hielten die Luft an. Urs’ Pranke wanderte wieder zum Griff seines Schwerts.
    Eine leise, dunkle Melodie schwebte in der Luft, schwer wie die ausladenden Äste eines alten Krummnussbaums und beunruhigend wie ein nahendes Gewitter.
    »Was ist das?«
    »Der Wald, oder?« Cephei sah Urs an.
    Er wiegte den Kopf und brummte: »Genau, das ist der Wald. Seine Blätter singen. Die Menschen mögen das nicht besonders. Einem aus unserer Truppe mussten wir damals sogar die Ohren zustopfen, damit er aufhörte, sich wie ein Wilder zu gebärden.« Urs schüttelte den Kopf. »Versucht einfach, nicht drauf zu hören, es wird schon alles gut werden. Auf geht’s.«
    Die Straße, der sie bisher gefolgt waren, teilte sich am Waldrand und lief nach Osten und Westen an ihm entlang. Nur ein kleiner Pfad führte zwischen die Bäume.
    Sie liefen die letzten Meter bis zum Wald. Die Melodie wurde nicht lauter, sie blieb ein Geräusch im Hintergrund. Die Vögel sangen hier anders als in der Stadt, und dann merkte Cephei, dass ihr Gezwitscher dem Lauf der Waldmelodie folgte und er selbst unbewusst zu pfeifen begonnen hatte. Es kam ihm so harmonisch vor, weil sie dasselbe Lied sangen wie er selbst. Es war dunkler und schwermütiger als die Gesänge der Spielleute in der Stadt.
    »Wenige Menschen durchqueren den Rauschwald«, erklärte Urs. »Die Straße führt um ihn herum, doch das kostet uns viele Tage Umweg. Und wir

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