Der Königsschlüssel - Roman
Vela gedacht hätte, trotz seines schweren Körpers, und am Rand des Flusses sprang er ab und reckte seinen Kopf zur anderen Seite. Geschickt segelte er drei Fußbreit über den trägen Schrottwellen zwischen Stangen und anderen langen Dingen hindurch, die höher aus den Fluten ragten.
Allein der Anblick seiner Flügel machte sie sprachlos. Wie beeindruckend musste diese Kreatur erst sein, wenn sie hoch über allen Köpfen im Himmel flog? Fast tat es ihr leid, dass Apus
dieses Gefühl niemals kennenlernen würde, weil er solche Angst vor dem Himmel hatte.
Vor ihr stieß Cephei Seufzer aus, die bezeugten, wie sehr ihm die ganze Sache gefiel, und Vela zog ihn am Ohrläppchen.
»He«, rief er, aber sie lachte nur.
Das tut gut, ich fliege zwar nicht gern, aber die Bewegung ist angenehm.
»Besser, als nur da unten zu hocken und Leute zu fressen, was?«, rief Cephei und lachte.
Kann schon sein. Auch wenn ich mir ab heute mein Essen wieder jagen muss.
Vela beugte sich über Cepheis Schulter nach vorn. »Richtung Norden gibt es viele Wälder, dort findest du genügend Fleisch, du musst keine Menschen mehr fressen.«
Nein, müssen muss ich nicht.
Der Flug dauerte nicht lang, dann streckte Apus einfach die Beine aus und landete etwas holprig. Cephei und Vela wären fast über seinen Hals gerutscht, hielten sich dann aber doch oben. Vorsichtig kletterten sie herunter, Vela jammerte dabei, ihre aufgeschürften Hände wollten ihr keinen Halt geben, und dann traten sie vor, um Apus in die Augen sehen zu können.
»Tja, danke, du hast uns sehr geholfen«, sagte Vela und konnte in den Spiegeln wieder jenes merkwürdige Vorbeiziehen der Jahreszeiten erkennen. »Könntest du dir vielleicht vorstellen, dass du …«
Ich danke dir, Mädchen , unterbrach sie Apus und lief dann ohne ein weiteres Wort am Flussufer entlang, bevor sie ihn fragen konnte, ob er sie begleiten wollte.
»Hilfst du uns gegen die Hexe …?«, rief ihm Vela nach, aber viel zu leise. Der Abstand zwischen ihnen und Apus wurde rasch
größer. Er sah sich nicht um. Wahrscheinlich hätte er ihnen sowieso nicht geholfen, im Loch hatte er ja schon gesagt, dass ihn der König nichts angehe, nur sein eigener Hunger.
»Seltsamer Bursche«, murmelte Cephei.
»Ja, er war so kurz angebunden. Man könnte meinen, wenn ich ihn schon aus dem Loch befreie, dann wäre er etwas dankbarer. Er hat auch gar nichts über sich erzählt oder wie er in dieses Loch geraten ist. Das muss doch einen Grund haben.«
Cephei lachte und sah sie kopfschüttelnd an. »Ich sag doch, ihr Mädchen seid komisch. Wenn du wie ich aufgewachsen wärst, dann wüsstest du, dass das alles gar nicht so viel bedeutet. Du hast ihm geholfen, er hat uns geholfen, und das war’s dann. Wozu mehr erzählen?«
Vela boxte ihn gegen die Schulter. »Nun tu mal nicht so abgebrüht. Sonst bist du doch immer derjenige, der alles wissen will.«
»Ja, aber ich weiß auch, wann es keinen Sinn hat nachzufragen, der Kerl war einfach nicht gesprächig. Ich meine, du hast doch gesehen, was er war.«
»So? Was war er denn?«, fragte Vela und packte die Kiste mit dem Raumgeist aus dem Rucksack.
»Na, ein Wurm … ein fliegender Wurm eben … vielleicht auch eine Eidechse.«
»Also, ich glaube nicht, dass Apus eine Eidechse ist.« Skeptisch öffnete sie die Kiste.
»Dann eben doch ein Wurm mit komischen Augen, sah irgendwie alt aus.«
Der Raumgeist lief wieder schnurgerade in südliche Richtung und führte sie mitten hinein in die Weite der Landschaft. Eine Straße war hier weit und breit nicht zu sehen.
»Vielleicht war es einer dieser Flugwürmer aus den Märchen. Mein Großvater hat mir mal so was erzählt. Damals habe ich mir das nicht gemerkt. Was es auch war, es war seltsam.« Vela zog den Raumgeist wieder zurück in die Kiste, verstaute sie und lief dann in angegebene Richtung los. »Vielleicht ist auch besser, er begleitet uns nicht, wer weiß schon, ob er uns nicht doch gefressen hätte.«
Cephei folgte ihr. »Ach was! Wer weiß, was man mit dem noch für Abenteuer erleben könnte.«
»Dir hat wohl nicht gereicht, dass dich Apus fast gefressen hätte, was?«
»Aber nur fast! Du willst doch nur hören, dass ich dir immer und ewig dankbar bin.«
Wütend drehte sich Vela um und funkelte ihn an, doch er stand nur vor ihr und grinste. Dann kam er näher, beugte sich vor, gab ihr einen Kuss auf die Wange und sagte schnell: »Bin ich doch. Ehrlich.«
Seine Nasenspitze wurde ein bisschen rot, und Vela war
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