Der Königsschlüssel - Roman
hatte sie gar nicht bemerkt. Die Knie gaben unter ihr nach. Keinen Schritt mehr würde sie sich bewegen, sie würde einfach hier liegenbleiben und darauf warten, dass sie jemand abholte.
Sie konnte nur noch daliegen, atmen und in den Himmel starren. Erst nach einer Weile bemerkte sie Cephei, der sich an ihre Seite gehockt hatte und ihre Hände mit seinem Hemdsaum abtupfte. Ein leises Brennen durchzog ihren Körper.
»Du bist verletzt«, sagte er und sah auf einmal ziemlich ernst aus.
»Ist nichts. Ich will mich nur nie wieder bewegen.«
Er verband ihre Hände und sie schwiegen, aber irgendwann schob sich Apus’ Kopf in Velas Sichtfeld und verdeckte den Himmel. »Frisst du uns nun doch?«
Hab ich nicht gesagt, dass ich es nicht tue, wenn du es schaffst?
»Doch.«
Warum zweifelst du dann daran?
Ja, warum? Hatte sie nicht allen Grund dazu, nach allem, was in letzter Zeit passiert war?
»Sag mal«, mischte sich Cephei ein, »was denkst du, wie lange dein niemals wieder bewegen dauern wird?«
»Na für immer, was denn sonst?«
»Mhm, könntest du es vielleicht einrichten, dass es nur noch ein bisschen dauert, weil Apus angeboten hat, uns über den Fluss zu fliegen.«
Vela richtete sich nun doch auf, es war die Überraschung, und sie bereute die Bewegung sofort, weil ihr alle Muskeln wehtaten. »Ich denke, du kannst nicht fliegen?«, fragte sie und sah in die spiegelnden Augen.
Habe ich nie gesagt. Ich sagte, ich kann nicht hoch fliegen, weil ich Höhenangst habe. Ein paar Fußbreit über dem Boden sind kein Problem. Ihr Menschen hört immer so schlecht zu, wenn man euch etwas erzählt.Woher kommt das nur?
Vela lief rot an und verschränkte die Arme, sie fühlte sich
an Serpem erinnert, die etwas Ähnliches gesagt hatte. Es war zum Verzweifeln, kaum hatte Vela das Gefühl, mal etwas richtig gemacht zu haben, wurde sie auch schon eines Besseren belehrt.
»Danke«, sagte sie mürrisch und stand auf.
Nichts zu danken, ich habe gegen den Jungen beim Würfeln verloren.
»Wie bitte?«
Cephei grinste wieder und suchte ihre Sachen zusammen, neben einem Rad fand er Velas Hammer und reichte ihn ihr. Einen Augenblick starrte sie darauf, dann steckte sie ihn wieder an den Gürtel und atmete tief ein und aus.
Cephei schnürte sich den Rucksack um. »Wir hatten nichts Besseres zu tun, während du dieses Monstrum«, er zeigte auf die Räderkonstruktion, »gebaut hast. Irgendwie muss man sich doch die Zeit vertreiben. Da haben wir eben beim Drei-Pasch-Zahl gewettet.«
»Und was wäre geschehen, wenn du verloren hättest?«
»Dann hätte ich ihm ein Trinklied beigebracht, bevor er mich frisst.«
Wenn man die ganze Zeit in einem Loch hockt, ist so was ganz lustig , antwortete die Schlange und kam neben sie. Auffordernd sah Apus sie an, Cephei ging näher zu ihm, legte die Hand auf seine Schuppen und zog sich dann daran empor, bis er die Beine über den Körper schwingen konnte und sich auf Apus wie auf einem Pferd niederließ.
»Kommst du nun?«, fragte Cephei und hielt ihr den ausgestreckten Arm hin.
Misstrauisch sah Vela an Apus empor, die ganze Sache schien ihr nicht geheuer. Was, wenn sie herunterfiel, mitten in den Schrottfluss hinein? Sie hatte keine Kraft mehr, sich festzuhalten.
Oder wenn er gar nicht mehr fliegen konnte, weil er es nach der langen Zeit nicht mehr gewöhnt war?
»Hab dich nicht so, wird schon nichts passieren«, forderte Cephei sie auf.
Erschöpft hob sie den rechten Arm und ließ sich von Cephei hochziehen. Sie hatte nicht die ganze Nacht lang geschuftet, um jetzt vor diesem kleinen Flug zu kneifen. Nein, wirklich nicht. Es würde ja auch gar nicht lange dauern, nur kurz über den Fluss, und dann würden sie wieder auf dem Boden stehen.
Aber dass sie sich nicht so einfach Dinge einreden konnte, merkte Vela sehr schnell, als sie hinter Cephei saß und Apus langsam seine Flügel ausbreitete. Sie waren ebenso grau wie sein restlicher Körper, doch die Sonne ließ sie schimmern, und sie erinnerten Vela an das erkaltete Metall in der Schmiede, das gerade erst seine Gestalt in einer Form gefunden hatte. Die Flügel besaßen eine Spannweite von sicherlich acht oder zehn Schritt, unten im Loch und zusammengefaltet hatten sie viel kleiner gewirkt.
Fast bis zum Rand des Lochs ging Apus zurück, aber er warf keinen Blick in den tiefen Abgrund, in dem er die letzte Zeit verbracht hatte. Tief atmete er durch, ein Zittern lief durch seine Flügel, und dann rannte er los.
Er war schneller, als
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