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Der Königsschlüssel - Roman

Der Königsschlüssel - Roman

Titel: Der Königsschlüssel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Essens ließ er Apus nicht aus den Augen, aber Vela konnte in seiner Haltung einen Unterschied erkennen. Im Gegensatz zum Nachmittag lag jetzt ein Interesse darin, dem die Angst weichen musste. Es war Cepheis Neugier, mit der Vela schon oft genug Bekanntschaft geschlossen hatte.
    »Ich überlass euch beide dann mal wieder euren Gesprächen«, sagte sie und ging zurück zu ihrem Lager aus Rädern und Ketten.
    Da waren sie nun, dreiundzwanzig größere und kleinere Räder, vierzehn miteinander verbundene Ketten, ein paar Stangen und mittendrin Vela, die mit verschränkten Armen auf das Sammelsurium hinabblickte und überlegte, wie sie beginnen sollte.
    Sie holte den kleinen Werkzeugkasten ihres Vaters aus dem Rucksack und war froh, ihn den ganzen Weg mitgeschleppt zu haben. Dann bückte sie sich, nahm ein kleineres Rad und wog es in der Hand. Das Metall war kühl und schon leicht rostig, aber sie fand es immer noch wunderschön. Alles hier war so
groß, deshalb erschreckte es sie, aber im Grunde genommen unterschieden sich diese Räder nicht von denen, die ihr Vater in der Werkstatt benutzte.
    Sie löste den Hammer vom Gürtel und schlug mit der breiten Seite auf das Rad, so dass sich ein heller Ton und der Rost lösten. Ein zweites und drittes Mal schlug sie darauf, dann griff sie sich andere Räder und Ketten und Stangen und setzte sie aneinander. Sie klopfte und schraubte und arbeitete, bis sie einen Rhythmus fand, der mit dem Knirschen und Schaben des fließenden Stroms im Einklang stand.
    Es kam Vela vor, als würde sie ein Teil des Schrottflusses werden und die ihm innewohnende Melodie erkennen. Es war mehr als nur Lärm, es war ein Lied.
    Erst als Cepheis Stimme an ihr Ohr klang, ließ sie Hammer und Rad sinken.
    »Alles klar da oben?«, rief er, und sie trat an den Rand.
    Ein sanftes Licht erhellte den Boden des Abgrunds, aber woher es kam, konnte Vela nicht sagen, ihr Feuer schien nicht bis nach dort unten. Cephei saß Apus im Schneidersitz gegenüber, in eine Decke gewickelt, die er aus dem Rucksack gezogen hatte. Zwischen ihm und Apus erkannte Vela einen Würfelbecher.
    »Sagt mal, was macht ihr da eigentlich?«, rief sie nach unten.
    »Wir würfeln.«
    »Das sehe ich.«
    Warum fragst du dann?
    »Seit wann hast du denn Würfel dabei?«
    »Es sind nicht meine«, antwortete Cephei.
    Ein Tuchhändler hatte sie bei sich, als er vor zwei Monaten runterfiel. Ich hab sie aufgehoben, weil sie so schön im Becher herumkullerten.

    »Du frisst sie sonst mit ihren Sachen?«, fragte Cephei erstaunt, bevor Vela etwas dazu sagen konnte, und Apus peitschte mit dem Schwanz. Das sollte wohl Ja bedeuten.
    »Na toll. Spielt ruhig weiter, während ich mich hier abschufte«, rief Vela noch nach unten, bevor sie zurückstapfte.
    Das war doch nicht zu fassen, wieso hatte sie sich nur jemals Sorgen um diesen Jungen gemacht? Ob der überhaupt begriff, dass die Kreatur ihn am Morgen verspeisen würde wie den Tuchhändler, wenn es ihr nicht gelang, Apus nach oben zu ziehen? Cephei hatte wirklich ein sonniges Gemüt.
    Sie machte sich daran, die Räder mit Metallstiften zu verbinden, legte die Ketten darüber, versuchte sie zu befestigen, und oft genug sprangen sie wieder herunter, bis Vela sie in die Rillen der Ränder legte. Müdigkeit und Anstrengung ließen Kopf und Glieder schmerzen, am liebsten hätte sie alles hingeschmissen, aber das ging natürlich nicht, denn jeden Moment der Nacht, den sie zum Ausruhen nutzte, verlor sie für die Arbeit. Das Geräusch ihres Hammers, der auf die Metallstifte schlug, passte sich wieder dem Rhythmus des Flusses an.
    Und es gab viel zu tun. Die Räder mussten aufgerichtet werden, damit die Kette abwechselnd über und unter ihnen hindurchlaufen konnte. Das eine Ende der Kette ließ Vela in den Abgrund hinein, an dem anderen würde sie selbst ziehen. Es war eine Art Flaschenzug, wie man ihn beim Bau großer Gebäude und Stadtmauern einsetzte, um schwere Steinquader nach oben zu ziehen. Wie die Kerkerbrücke funktionierte er nach einem einfachen mechanischen Prinzip: Wenn sie mit der Kette in der Hand den hundertfachen Weg zurücklegte, den sie den Drachen hochheben wollte, musste sie nur die Kraft für ein Hundertstel seines Gewichtes aufbringen. Sie musste es einfach schaffen.

    Als die Sonne wieder aufging, stand Vela vor der fertigen Apparatur und betrachtete das Ganze skeptisch. Sie hatte keine Zeit mehr, um es auszuprobieren, und sie hoffte nur, ihr Plan würde aufgehen.
    Mit einem leisen

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