Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
Vom Netzwerk:
McGinnis. »Pinto hat sich irgendwie dazu geäußert, stimmt's? Er hat dich nicht gleich gebeten, auf Tagerts Brief zu antworten?«
    »Ich bin dabei, mich zu erinnern!« sagte McGinnis ungehalten. »Ich versuch' gerade, mir alles ins Gedächtnis zurückzurufen. Wir waren hier in diesem Raum, das weiß ich noch. Ashie ist kein besonders guter Kunde, aber ich kenne ihn seit vielen Jahren, und wenn er kommt, gehen wir zu 'nem Schwatz nach hinten. Mich interessiert, was drüben am Fluß passiert, weißt du.«
    Er kippte seinen Schaukelstuhl nach vorn und stand unbeholfen auf. Aus dem Hängeschrank neben dem Herd nahm er eine Flasche Old Crow.
    »Der Lieutenant trinkt keinen Alkohol«, sagte McGinnis zu Professor Bourebonette. Er sah zu Leaphorn hinüber. »Es sei denn, er hätte seine Gewohnheiten geändert. Aber Ihnen biete ich einen kleinen Schluck an.«
    »Und ich nehme dankend an«, antwortete die Professorin. Sie hielt McGinnis ihren leeren Kaffeebecher hin, und er kippte einen Schuß Whiskey hinein. Für sich selbst nahm er ein Co-ca-Cola-Glas vom Regal über dem Ausguß und füllte es genau bis zu dem aufgedruckten Warenzeichen. Danach nahm er wieder Platz, stellte die Flasche neben sich auf den Boden und schaukelte gemächlich weiter.
    »Hosteen Pinto hab' ich keinen Drink angeboten. Das weiß ich genau. Wäre auch falsch gewesen, weil er doch Trinker ist. Aber ich hab' mir einen eingeschenkt und in meinem Schaukelstuhl getrunken.« Er nahm einen kleinen Schluck und dachte nach.
    »Ich hab' ihm den Brief vorgelesen und er hat irgendwas Derbes gesagt.« Der Alte überlegte. »Etwas ziemlich Derbes. Ich glaube, daß er Tagert einen Kojoten genannt hat - und das ist ungefähr das schlimmste Schimpfwort der Navajos. Und er wollte anfangs nicht für ihn arbeiten. Daran erinnere ich mich genau. Aber dann hat er davon gesprochen, daß Tagert gut zahlt. Und darum ist er überhaupt hergekommen - weil er wieder mal Geld brauchte. Ist Ihnen der Gürtel draußen im Glasschrank aufgefallen?«
    McGinnis stemmte sich aus dem Schaukelstuhl hoch und verschwand durch die Verbindungstür zum Laden.
    Der Lieutenant sah zu Bourebonette hinüber. »Ich informiere das FBI über Tagert«, versprach er ihr.
    »Glauben Sie, daß die was unternehmen?«
    »Das sollten sie eigentlich«, sagte Leaphorn. Aber vielleicht unternahmen sie auch nichts. Wozu auch? Für das FBI war dieser Fall so gut wie abgeschlossen. Und was war von Tagerts Vernehmung schon zu erwarten?
    McGinnis kam mit einem Conchagürtel in den Händen zurück. Das Licht der Deckenlampe spiegelte sich matt in dem angelaufenen Silber.
    »Das hier war immer Pintos letzter Ausweg. Das letzte Stück, das er versetzt hat, wenn er knapp bei Kasse war.« Seine verkrümmten Finger strichen über die Silbermünzen. »Wirklich ein Prachtstück!«
    Er gab es Professor Bourebonette.
    Auch Leaphorn sah, daß der Gürtel ein Prachtstück war. Ein alter Conchagürtel aus silbernen mexikanischen FünfPeso-Stücken aus der Zeit um die Jahrhundertwende. Beim Verkauf an einen Sammler wenigstens zweitausend Dollar wert. Als Pfandgegenstand höchstens fünfhundert Dollar.
    »Das Dumme war nur, daß er ihn schon versetzt hatte« berichtete der Alte. » In der Zwischenzeit war er sogar noch zweimal da, um mehr geliehen zu bekommen. Er wollte für weitere fünfzig Dollar Lebensmittel, und wir haben darüber diskutiert, als das Postauto vorbeikam.«
    McGinnis schaukelte, während er sich an diese Szene erinnerte, hielt dabei das Coca-Cola-Glas in seiner Linken und kippte es vor-und rückwärts, um die Schaukelbewegung auszugleichen. Genau wie damals vor zwanzig Jahren, als Leaphorn gelegentlich vorbeigekommen war, um Auskünfte über umgezogene Familien einzuholen, sich Gerüchte anzuhören oder einfach nur mit McGinnis zu schwatzen.
    Der Lieutenant fühlte sich in vergangene Zeiten zurückversetzt. Alles war genauso wie früher, als ob diese zwanzig Jahre nicht vergangen wären. Der vollgestellte alte Raum, der Modergeruch, das gelbliche Licht und dieser alte Mann, der sekundenschnell noch mehr gealtert zu sein schien. Plötzlich wußte Leaphorn genau, was McGinnis als nächstes tun würde
    - und der Alte enttäuschte ihn nicht.
    Er beugte sich zur Seite, packte die Flasche Old Crow am Hals und schenkte sich sorgfältig nach, bis der Whiskeyspiegel wieder genau das Warenzeichen erreichte.
    »Ich habe Pinto schon oft abgebrannt erlebt. Aber an diesem Tag war er wirklich völlig blank. Er hat mir

Weitere Kostenlose Bücher