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Der Kojote wartet

Der Kojote wartet

Titel: Der Kojote wartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hillerman
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Warum hat er es getan? Whiskey. Todilhil. Das Wasser der Dunkelheit. Schon zweimal hat es diesen Mann in einen Kojoten verwandelt.
    Pinto veränderte seine Sitzhaltung, als schmerzten seine alten Knochen auf dem harten Holzstuhl. »Diese junge Frau ist mir wie eine Enkeltochter geworden«, erklärte er Chee. »Sie sagt, daß sie dich kennt. Sie sagt, daß du ein ehrenhafter Mann bist. Sie sagt, daß du lebst, wie ein Navajo leben soll.«
    Er machte eine Pause, um Chee Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern. Dann holte er tief Luft.
    »All das habe ich Hosteen Professor erzählt. Ich glaube, daß er diese Geschichten aufgeschrieben hat. Und du hast sie gelesen, nicht wahr?«
    »Ja, ich habe alles gelesen.«
    Pinto starrte ihn fragend an. »Und du weißt, wie ein Navajo leben soll?«
    »Ich habe mich in meinen Studien damit beschäftigt«, sagte Chee.
    Der Alte machte ein leicht skeptisches Gesicht, als frage er sich, wie gründlich sein Studium gewesen sein mochte. »Wie's heißt, soll es damals viele Skinwalker gegeben haben«, begann Hosteen Pinto. »Sogar noch mehr als heute. Verstehst du, was Skinwalker sind?«
    »Ich weiß von ihnen «, bestätigte Chee. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, denn was jetzt kam, würde länger dauern. Ashie Pinto würde weit ausholen und alles ganz genau erzählen. Und je länger er sprach, desto größer waren die Aussichten, daß er etwas Licht in diese rätselhafte Angelegenheit brachte. Falls es überhaupt Zusammenhänge zwischen den damaligen und heutigen Ereignissen gab...
    »Wir lernen, daß alles zwei Formen hat«, fuhr Hosteen Pinto fort und holte damit weiter aus, als Chee erwartet hatte.
    »Nehmen wir zum Beispiel den Berg bei Grants, den die biligaana Mount Taylor nennen. Das ist die äußere Form. Und dann gibt es die innere Form, den heiligen Türkisberg, der zu Urzeiten mit dem Heiligen Volk in der Ersten Welt, in der Dunklen Welt existiert hat. First Man hat ihn aus der Dritten Welt mit heraufgebracht, auf seinem Zaubermantel errichtet und mit Türkisen geschmückt. Ein weiteres Beispiel ist die Yucca. Ihre äußere Form sehen wir überall, aber der inneren weihen wir unsere Gebete, wenn wir ihre Wurzeln ausgraben, um daraus Seife zu machen, um uns säubern zu können.«
    Er machte eine Pause und warf Chee einen fragenden Blick zu. »Verstehst du das?«
    Chee nickte wortlos. Das alles waren grundlegende Aspekte der Metaphysik der Navajos. Aber er fragte sich, ob Janet jemals davon gehört hatte.
    »Auch die Amsel hat zwei Formen, ebenso wie der Hirsch und der Käfer. Zwei Formen. Sie haben die yei-Form und die äußere Form, die wir sehen können. Alle Lebewesen - auch du und ich. Zwei Formen.«
    Hosteen Pinto beugte sich vor und starrte Chee an, als wolle er sich davon überzeugen, daß er ihm folgen könne.
    »Und dann gibt's Kojote«, sagte er. »Weißt du über Kojote Bescheid?«
    »Über Kojote weiß ich einiges«, antwortete Chee. Er sah zu Janet hinüber. Sie konzentrierte sich ganz auf Pinto, dem sie aufmerksam zuhörte. Wahrscheinlich fragte sie sich, wohin das alles führen sollte. »Ich kenne seine Tricks. Ich habe viele Geschichten gehört. Wie er die Decke weggerissen und dadurch die Sterne über die Milchstraße verteilt hat. Wie er das Junge des Wasserungeheuers gestohlen hat. Wie er die Schwester des Bären durch eine List dazu gebracht hat, ihn zu heiraten. Wie er...«
    Pintos amüsierte Miene brachte ihn zum Schweigen. »Den Kindern erzählt man lustige Geschichten über Kojote, damit sie keine Angst haben«, sagte der Alte. Dann wurde er plötzlich wieder ernst, lächelte ein verkniffenes kleines Lächeln und setzte zu der Erklärung an, weshalb Kojote nicht lustig war. Chee, der scheinbar geduldig lauschte, wünschte sich wie schon oft als Zuhörer solcher Geschichtenerzähler, daß die alten Navajos nicht jedes Mal ganz von vorn anfangen müßten. Chee sah wieder zu Janet hinüber. Sie wirkte nachdenklich, als frage sie sich, was zum Teufel er von dem Alten zu erfahren hoffe - eine Frage, die er sich allmählich auch stellte. Immerhin konnte sie Chee nicht vorwerfen, daß er etwas Belastendes aus Ashie Pinto herauszuholen versuchte. Es sei denn, der Alte redete lange genug, um auch das zu erzählen, worauf es Chee eigentlich ankam.
    Hosteen Pinto sprach jetzt davon, daß Kojote in der Vierten Welt nicht atse'ma'ii oder Erster Kojote, sondern at-se'hashkke oder Erster Zorniger geheißen habe - und welche symbolische Bedeutung das in

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