Der Kojote wartet
eine Lehrerin, die Chee heißt - Dolores Chee, glaube ich.«
»Eine Freundin Ihres Vaters?«
»Das glaube ich nicht«, antwortete der junge. »Chees gibt es viele.«
Leaphorn sah zu dem Captain hinüber und stellte fest, daß Largo ihn anstarrte. Der andere verzog das Gesicht.
Und so ging es weiter. Leaphorn sah und hörte zu. Er beobachtete Rostik und beurteilte ihn erneut. Ein cleverer junger Mann. Darüber hinaus versuchte er, sich ein Bild von Taka zu machen. Dies war nicht der normale Taka, sondern ein verwirrter Jugendlicher. Der Tod seines Vaters erschien ihm noch immer irreal - eine abstrakte, vorerst unglaubliche Tatsache.
Theodore Rostiks Fragen galten jetzt dem Vortag. Wie hatte sich Takas Vater verhalten? Was hatte er gesagt und getan? Leaphorn fiel auf, daß der Junge zitterte.
»Augenblick bitte, Mr. Rostik«, fiel ihm der Lieutenant ins Wort. Er wandte sich an Taka. »Hast du hier irgendwelche Verwandten, Sohn? Leute, zu denen du gehen könntest?«
»Nicht hier«, antwortete der Junge. »Nicht hier in Shiprock.«
Ein Fremder allein in einem fremden Land, dachte Leaphorn. »Wo sonst?« fragte er.
»Mein Onkel und meine Tante leben in Albuquerque.«
»Sind das deine nächsten Verwandten?« Während der Lieutenant das fragte, überlegte er sich, wie ganz und gar anders die Lage für einen jungen Navajo gewesen wäre. Besorgte Verwandte allerorten. Aber vielleicht wäre das bei Taka Ji nicht anders gewesen, wenn seine Familie nicht durch den Krieg entwurzelt worden wäre. Vielleicht wußten die Vietnamesen im Gegensatz zu den biligaana den Wert der Familie noch zu schätzen.
Taka nickte langsam. »Meine einzigen Verwandten«, stellte er fest.
»Wir rufen sie an, sobald wir hier fertig sind«, versprach Leaphorn ihm mit einem Blick zu Rostik hinüber.
»Das war's eigentlich soweit«, sagte der FBI-Agent zu Taka. »Ich müßte nur noch wissen, wo wir Sie im Falle weiterer Fragen erreichen können.«
»Wie steht's mit einem Freund, der hier wohnt? Bei dem du heute nacht schlafen kannst?«
Der Junge überlegte. Er nannte Leaphorn den Namen des Sohnes eines anderen Lehrers.
Nun verließ Rostik das Haus und fuhr weg. Sie telefonierten von Mr. Jis Telefon aus, und Roanhorse nahm Taka mit. Er würde ihn zu seinem Freund fahren.
»Ich schließe hier ab«, sagte Captain Largo. »Wir behalten das Haus im Auge, bis die Feds zurückkommen.«
»Laß mich noch mal in die Dunkelkammer«, verlangte Leaphorn. »Das merkt doch kein Mensch.«
Während Largo ihm über die Schulter sah, begutachtete er die Schwarzweißfotos im Drahtkorb unter der Trockenpresse: elf Vergrößerungen von Teilen einer zerklüfteten Felsbastion, die zu einem langen Basaltgrat zu gehören schien. Die Fotos waren anscheinend aus fast identischer Perspektive gemacht worden, als ob ein Stativ mit einer Kamera mit Teleobjektiv bei jeder Aufnahme um wenige Meter versetzt worden sei.
»Landschaften!« sagte der Captain. »Wenn das seine Landschaftsaufnahmen sind, wird er nicht reich damit.«
»Richtig«, bestätigte Leaphorn und legte sie in den Drahtkorb zurück. »Erkennst du das Motiv?«
»Diese Fotos kann er an hundert Stellen gemacht haben«, antwortete Largo. »Man sieht bloß einen Kegel aus erstarrter Lava. Vermutlich ziemlich alt. Könnte hier in der Umgebung von Shiprock sein. Oder unten im Malpais südlich von Grants, vielleicht auch drüben im Osten der Black Mesa. Diese Felsen kann er an Dutzenden von verschiedenen Stellen fotografiert haben.«
Captain Largo blieb auf der Veranda stehen, um die Haustür abzuschließen.
»Kannst du dir irgendeinen Grund für diese Aufnahmen vorstellen?« fragte Leaphorn ihn.
»Keinen«, sagte Largo. »Aber wer weiß schon, was im Kopf eines Teenagers vorgeht?«
»Vielleicht hat der Oberst sie gemacht«, wandte Leaphorn ein. »Er hat auch fotografiert.«
Largo nickte. »Stimmt«, bestätigte er. Aber er war nicht sonderlich interessiert.
»Trotzdem merkwürdig«, stellte Leaphorn fest. »Am besten frage ich ihn selbst, wenn er sich ein bißchen erholt hat.«
»Vielleicht hat der Oberst sie doch gemacht«, sagte Largo. »Aber welche Rolle spielt das schon? Viele Leute knipsen irgendwelche Felsen. Sie bilden sich ein, darin George Bush, Donald Duck oder weiß der Teufel wen zu erkennen.«
»Glaubst du, daß der Junge es getan hat?«
»Seinen Vater ermordet? Keine Ahnung. Und was denkst du?«
Der Lieutenant zuckte mit den Schultern, um keine Antwort geben zu müssen.
»Ich habe
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