Der Kojote wartet
einer im Entstehen begriffenen Gesellschaft, für die Frieden und Eintracht lebenswichtig gewesen seien, gehabt habe. Er schilderte Kojote als Metapher für Chaos im Leben eines hungrigen Volkes, das ohne Ordnung nicht überlebt hätte. Er sprach von Kojote als dem Feind aller Regeln, aller Gesetze und jeglicher Eintracht.
Dann sprach Pinto von Kojotes mythischen Kräften und davon, daß er stets auf der Schwelle des Hogans saß, wenn das Heilige Volk zu Beratungen zusammentrat - einer, der nicht zu den Vertretern kosmischer Macht gehörte, aber auch nicht mit dem draußen lauernden Bösen im Bunde stand. Und zuletzt erwähnte er, daß auch andere weise Menschen - zum Beispiel die Alten in den Kiwa-Gesellschaften der Hopis - von einer Zeit wußten, in der die Menschen zwei Herzen hatten. So waren sie imstande gewesen, von einer Form zur anderen, vom Natürlichen zum Übernatürlichen zu wechseln.
»Dein Onkel hat dir bestimmt erzählt, wie die Skinwalker entstanden sind?« fragte Pinto. Als Chee etwas zweifelnd nickte, fuhr er fort:
»Ihr Ursprung soll auf die Erschaffung der ersten Navajos durch Changing Woman zurückgehen. Aus von ihrer Brust abgeriebener Haut hat sie die Salt People, den Mud Clan, den
Bitter Water Clan und die Bead People gemacht. Ich habe von deinem Onkel, von Frank Sam Nakai gehört. Er soll ein großer hataalii sein. Er muß dir davon erzählt haben, wie Kojote First Mann in einen Skinwalker verwandelt hat, indem er seine Haut über ihn geblasen hat. Diese Geschichte kennst du? Und wie First Woman nicht mehr mit ihm schlafen wollte, weil er sich wie ein Kojote benommen, nach Kojotenharn gestunken, sich geleckt und all die schmutzigen Dinge getan hat, die Kojoten tun? Und wie das Heilige Volk ihn kuriert hat, indem es ihn durch die Zauberringe gezogen hat, um ihn von seiner Kojotenhaut zu befreien? Hat dein Onkel dich das gelehrt?«
»Einiges davon«, sagte Chee. Er erinnerte sich, diese Geschichte schon einmal gehört zu haben. Nachgespielt wurde sie als Teil des Gesangs zur Beschwörung des Bösen, durch den selbst stärkster Hexenzauber geheilt werden konnte.
»Dann weißt du also, warum für diesen Mann die Beschwörung des Bösen gesungen werden mußte«, fuhr Pinto fort. »Er hat sie dringend gebraucht, weil er mit yenaldolooshi zusammen gewesen ist.«
»Nein«, sagte Chee stirnrunzelnd. »Nein, das verstehe ich nicht.«
Janet Pete hob eine Hand. »Augenblick! Ich verstehe auch nichts mehr. Yenaldolooshi ? Das ist das Wort für Tiere, die traben, nicht wahr?«
Chee nickte zustimmend. »Tiere, die auf vier Beinen traben. Aber es wird auch für Skinwalker benützt. Für Hexen und Zauberer.«
»Worauf läuft das alles hinaus?« fragte sie. »Dirigierst du Mr. Pinto etwa in eine bestimmte Richtung? Weißt du noch, was du versprochen hast?«
Pinto beobachtete die beiden verwirrt.
Janet sprach auf navajo weiter. »Ich wollte mich nur vergewissern, daß Mr. Chee nicht versucht, Sie zu einer Aussage zu bewegen, die Ihnen vor Gericht schaden könnte«, erklärte sie dem Alten. »Ich möchte, daß Sie sich in dieser Beziehung vorsehen.«
Hosteen Pinto nickte. »Wir sprechen über etwas, das schon vor langer Zeit geschehen ist«, stellte er fest.
»Eines verstehe ich nicht, mein Onkel«, sagte Chee. »Warum wurde für die anderen Männer der Gesang des Sieges über die Feinde und nur für Delbito Willie der zur Beschwörung des Bösen gesungen?«
»Weil er dort gewesen ist«, antwortete Hosteen Pinto geduldig. »Er ist im Tse A'Digash gewesen. Er ist dorthin vorgedrungen, wo sich die Hexen versammeln. Er ist ins Reich der Toten und Skinwalker eingedrungen. Er hat den Ort aufgesucht, an dem die yenaldolooshi ihre Zeremonien abhalten, an dem sie Inzest verüben und ihre Verwandten ermorden.«
Schweigen. Chee dachte darüber nach. Dann runzelte er die Stirn und sah zu Janet Pete hinüber. Sie beobachtete ihn aufmerksam. Aber er würde trotzdem danach fragen.
»Mein Onkel, willst du mir sagen, wo dieser Tse A'Digash sich befindet?«
Pintos Gesichtsausdruck veränderte sich. »Das kann ich dir nicht sagen.«
»Kannst du mir sagen, ob Professor Tagert wollte, daß du ihm zeigst, wo er liegt?«
Der Alte starrte Chee an. »Als du mich festgenommen hast, habe ich dein verbranntes Fleisch gerochen. Ich habe gesagt, daß ich mich schäme. Und ich schäme mich immer noch. Aber was du jetzt von mir hören willst, kann ich dir nicht sagen.«
»Hey, was geht hier vor?« fragte Janet.
Hosteen
Weitere Kostenlose Bücher