Der Kollapsar
beseitigen, nur...« Den Rest der Worte brachte sie nicht heraus.
Der Mann auf der anderen Seite der Türe kam nicht von dem diskreten Dienst, den sie angerufen hatte. Ganz in Schwarz gekleidet und haarlos war er offenkundig ein Kollege der beiden Toten im Raum. Sein Blick ließ erkennen, daß er ihr gegenüber keine Feindschaft empfand, aber daß es für ihn keinen Unterschied machte, ob er sie tötete oder mit ihr sprach. Ihre Hand flog an die Lippen, und sie zog sich langsam rückwärts von der Türe zurück, während der Mann eintrat. Er war hochgewachsen - sehr groß. Er mußte sich bücken, um durch die Türe zu kommen.
Sein Blick durchforschte den Raum, ruhte kurz auf den beiden Umrissen, die sich unter den Decken abzeichneten. Die rote Stickerei auf seiner Mütze blitzte im Licht der Nachmittagssonne, ebenso wie der Schädel an seiner Gürtelschnalle. In dem kleinen Zimmer glänzte es wie fremdes Blut.
»Ich habe das nicht getan«, wollte die Frau sagen, dann sank sie zusammen, und die Hände fielen ihr schlaff herunter. »Was hat das jetzt schon zu bedeuten«, murmelte sie mit der Resignation eines Menschen, der keinen Funken Hoffnung mehr hat. Sie sank auf die Kissen in der Ecke, wo sie normalerweise ihren Geschäften nachging. »Es ist ein lausiges Leben, auch für das arme Kind. Bringen Sie mich doch um, wenn Sie wollen. Ich begreife das alles nicht. Ich kann nicht mehr kämpfen.«
Der Mann ignorierte sie, trat neben die beiden Leichen und kniete nieder. Er schien es nicht glauben zu wollen, daß die beiden tot waren. Als er mit seiner Untersuchung fertig war, erhob er sich und wandte sich zu ihr um. Die Wut in seinen Augen flammte so heiß, daß sie unwillkürlich vor ihm zurückzuckte.
»Ich habe nichts gegen Sie oder Ihr Kind«, erklärte er und deutete mit einer kurzen Kopfbewegung aufs Badezimmer. »Aber warum haben Sie nicht uns verständigt, statt andere anzurufen, damit sie die Toten wegschaffen?«
Die Frau lachte schrill. »Niemand tritt in Verbindung mit den Qwarm, wenn man es vermeiden kann, gleichgültig wie die Situation ist.«
»Das räume ich ein«, nickte der Mann ohne die Spur eines Lächelns. »Wahrscheinlich wäre das zuviel erwartet.« Er trat ans Fenster, lehnte sich hinaus und winkte.
Kurz darauf betraten vier Männer das Zimmer. Es waren keine Qwarm. Vorsichtig luden sie die Leichen in zwei Hohlzylinder. Als sie gingen, wandte der hochgewachsene Jäger wieder seine Aufmerksamkeit der Frau in der Ecke zu. Vom Badezimmer her war ein leises Murmeln zu hören.
»Mammi... darf ich jetzt wieder herauskommen?«
Plötzlich wirkte die Frau wieder verängstigt. Ihr Blick huschte gehetzt zwischen ihrem Besucher und der Badezimmertüre hin und her.
»Ich sagte schon, daß ich nichts gegen Sie habe, Frau.« Er beugte sich über sie, so daß sie nicht umhin konnte, seine eisigen Augen und seine hohlen Wangen zur Kenntnis zu nehmen. »Wir wollen den haben, der so verrückt war, das hier zu tun.« Er griff in eine Tasche und holte eine Faust voll kleiner Metallstangen hervor.
Trotz ihrer Angst blitzten die Augen der Frau. Das hier war mehr Geld, als sie in ihrem ganzen Leben je auf einmal gesehen hatte. Das entsprach vielen, vielen Wochen, in denen sie keine Besucher in diesem Zimmer würde empfangen müssen.
»Beschreiben Sie sie«, sagte der Qwarm ausdruckslos und hielt ihr das Metall hin.
Die Frau überlegte und leckte sich dabei über die Lippen. Sie brauchte nicht lange nachzudenken. »Nicht sie«, verbesserte sie. »Ihn.«
Zum erstenmal seit dem Betreten des Raumes zeigte die hohlwangige schemenhafte Gestalt ein menschliches Gefühl: Überraschung. »Nur einer?« erkundigte er sich mit ungläubiger Stimme. »Sind Sie da sicher? Hatte er vielleicht Freunde, Komplizen?«
»Ich weiß nicht«, beharrte sie. »Ich habe nur einen Mann gesehen. Einen Jungen. Er war jung, ganz bestimmt unter zwanzig.« Sie schnitt eine Grimasse. »Ich verstehe mich auf solche Dinge. Nicht größer als ich, dunkle Haut, rotes Haar...?« Sie fuhr fort, Flinx nach bestem Können zu beschreiben, von der Kleidung bis zu seinem Verhalten.
Als sie geendet hatte, reichte der Mann ihr die Metallstäbe, warf sie ihr nicht vor die Füße, wie das ihre Besucher zu tun pflegten, wenn sie fertig waren. Mit entnervender Höflichkeit murmelte er ein überraschend sanftes »Danke« und wandte sich zum Gehen.
»Sie werden... uns nicht töten?« fragte die Frau, die ihr Glück immer noch nicht begreifen konnte.
Zum
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