Der Kollapsar
heftig genug, um seinen Arm abzuschütteln. »Nicht, daß ich nicht an dich gedacht hätte. Aber ich war viel zu weit von der Zivilisation entfernt.«
»Ah, wieder Ärger gehabt?« Sie schüttelte den Kopf. »Habe ich dich etwa so aufgezogen?« Er wollte Antwort geben, aber sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Nein, schon gut. Wo warst du? Komm, erzähl es mir im Laden.«
Sie gingen die Straße hinunter. Aromatische Düfte und der Lärm von Drallars innerem Markt erfüllten die Luft um sie. »Komm, Junge, erzähl mir, wo warst du, daß du mir nicht einmal schreiben konntest, ob dein wertloser Kadaver noch intakt ist?«
Flinx überlegte sich seine Antwort gut. Er hatte gute Gründe dafür, den Aufenthaltsort des vergangenen Jahres geheim zu halten. Was Mutter Mastiff nicht wußte, konnte sie auch nicht ausplaudern.
»Ich hab' sozusagen einen Job angenommen«, erklärte er schließlich.
Sie sah ihn mit aufgerissenem Mund an. »Du... einen Job?«
»Ich lüge nicht«, verteidigte er sich etwas unsicher, weil er ihren ungläubigen Blick auf sich spürte. »Ich kann mir meine Zeit selbst einteilen und brauche nur soviel zu arbeiten, wie ich Lust habe.«
»Nun, vielleicht, aber nur vielleicht glaube ich dir. Was für einen Job denn?«
Wieder wich er ihrem Blick aus. »Das kann ich nicht genau sagen. Ich bin eine Art Lehrer, Privatlehrer.«
»Ein Lehrer«, wiederholte sie sichtlich beeindruckt. »Ein Privatlehrer, was?« Sie lachte glucksend. »Was lehrst du denn? Taschendiebstahl, Einbruchdiebstahl oder allgemeinen Diebstahl?«
»Woher soll ich denn über solche Dinge Bescheid wissen?« konterte er erstaunt. »Hast du mich etwa so erzogen?« Der Junge lachte glucksend. »Nein, ich bin so etwas Ähnliches wie ein Allzweckinstrukteur in grundlegenden Dingen.«
»Aha«, war ihre ganze Antwort darauf, so daß ihm die Mühe erspart blieb, ihr zu erklären, was für grundlegende Dinge er lehrte und wem. Insbesondere wem; die Zeit war noch nicht gekommen, daß Mutter Mastiff oder sonst jemand etwas über die Ulru-Ujurrianer erfuhr, die Rasse, die er adoptiert hatte und die ihrerseits ihn adoptiert hatte. Die Rasse, die, wenn es sein mußte, diesen ganzen Winkel der Schöpfung von innen nach außen stülpen konnte.
»Laß mich einmal ganz beiseite«, meinte er dann und starrte sie an. »Da nehme ich mein Geld und richte dir einen Laden in einer der besten Straßen von Drallar ein, mit erstklassigem Inventar und wie finde ich dich? So!« Er deutete auf ihre ausgefransten Kleider, den zerfetzten Rock, die ausgeblichene Bluse und den speckigen Hut, der schief auf ihrem langen, strähnigen Haar saß. »Auf der Straße im Regen und in Lumpen gekleidet.«
Jetzt wich Mutter Mastiff seinem Blick aus. Sie bogen in eine kopfsteingepflasterte Straße ein und betraten damit ein etwas ruhigeres Stadtviertel.
»Ich bin nervös geworden, Junge, alles juckt mich, ich hab' es in diesem stinknoblen Laden nicht mehr ausgehalten. Mir haben die Straßen gefehlt, der Lärm, der Kontakt mit den Leuten...«
»Der Streit und das Geschrei«, fügte Flinx hinzu.
»Und der Klatsch«, fuhr sie fort. »Ganz besonders der Klatsch.« Jetzt hob sie den Blick wieder. »In meinem Alter ist das eines der wenigen Laster, für die ich noch nicht zu alt geworden bin.«
Flinx deutete auf die Straße, die vor ihnen lag.
»Deshalb gehen wir wohl nicht zu dem Laden?«
»Nein, nicht zu dieser stickigen Bude, nicht an einem schönen Tag wie heute.«
Flinx studierte den grauen verhangenen Himmel, blickte empor zu dem ewigen Nebel, sagte aber nichts. Tatsächlich war es für die Begriffe von Drallar ein recht schöner Tag. Es regnete nicht. Jetzt war er schon seit zwei Wochen wieder zu Hause und hatte noch kein einziges Mal die Sonne gesehen.
»Gehen wir doch zu Dramuses Bude. Ich lade dich zum Mittagessen ein.«
Flinx gab seiner Überraschung Ausdruck. »Du lädst jemanden zum Mittagessen ein? Freilich, bei dem Profit, den du an dem Armband gemacht hast...«
»Ach was! Ich hätte den Tölpel spielend auf fünfzig Credits hochgejagt. Das habe ich in dem Augenblick gewußt, als er das Armband zu sehen kriegte. Und dann mußtest du dich einmischen.«
»Eines Tages, Mutter, wirst du bei irgendeinem Fremdweltler, der Bescheid weiß, zu weit gehen, und dann meldet er dich bei der königlichen Polizei. Ich hab' mich eingeschaltet, weil er mir wie ein anständiger Kerl auf seinem Hochzeitsflug vorkam und ich nicht wollte, daß er zu schlecht behandelt
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