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Der Komet im Cocktailglas

Der Komet im Cocktailglas

Titel: Der Komet im Cocktailglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Freistetter
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ein Kind, und weil uns beiden langweilig ist, spielen wir ein bisschen und werfen uns gegenseitig einen Ball zu. Obwohl sich der Zug mit mehr als 100 Kilometern pro Stunde durch die Landschaft bewegt, hat das keine Auswirkungen auf unseren Ball. Unser Spiel könnten wir genauso gut am Bahnhof durchführen; der Ball würde sich aus unserer Sicht genauso schnell beziehungsweise langsam bewegen. Stellen wir uns vor, wir würden an der Spitze des Zuges neben dem Lokführer stehen, ein Freund von uns aber außerhalb des Zuges am Bahnsteig (das Kind lassen wir mal im Abteil weiterspielen). Wenn wir den Ball jetzt aus dem Zug werfen, der in voller Fahrt durch den Bahnhof rauscht, sollte sich unser Freund lieber ducken anstatt zu probieren, den Ball zu fangen. Denn nun saust er mit mehr als 100 Kilometern pro Stunde auf ihn zu! Der Unterschied zwischen den beiden Situationen ist leicht zu verstehen. Im ersten Fall befinden wir uns, relativ zum Kind, in Ruhe. Wir sitzen beide im gleichen Zugabteil, und dass wir uns mit mehr als 100 km/h durch die Gegend bewegen, spielt keine Rolle. Im zweiten Fall allerdings haben wir uns relativ zu unserem Freund bewegt. Der Ball bewegt sich nun nicht mehr nur mit der Geschwindigkeit, mit der wir ihn werfen, sondern zusätzlich mit der des Zuges. Wenn wir von derGeschwindigkeit sprechen, müssen wir immer eine Information hinzufügen: im Verhältnis zu was wir die Geschwindigkeit messen. Im ersten Fall haben wir die Geschwindigkeit des Balls im Verhältnis zu uns selbst und zum mitspielenden Kind gemessen. Die Bewegung des Zuges spielte keine Rolle, weil wir uns alle gleich schnell bewegt haben. Im zweiten Fall bezieht sich die Geschwindigkeit des Balles auf unseren Freund, der außerhalb des Zuges auf dem Bahnsteig steht. Hier muss die Geschwindigkeit des Zuges berücksichtigt werden.
    So sollte es eigentlich auch beim Licht sein, dachten sich die Forscher früher. Lange Zeit wusste man nicht, wie schnell es ist. Es war verdammt schnell, aber ob es tatsächlich unendlich schnell war und sich sofort und ohne Zeitverlust von einem Ort zum anderen ausbreitete, oder eben nur sehr, sehr schnell, war unklar. Es dauerte, bis man die technischen Mittel zur Verfügung hatte, um die Ausbreitungsgeschwindigkeit messen zu können. Dabei zeigte sich, dass es sich mit knapp 300.000 Kilometern pro Sekunde bewegt. Das war auch das Ergebnis, zu dem der schottische Mathematiker James Clerk Maxwell im 19. Jahrhundert gelangte. Er war der Erste, dem es gelang, eine vollständige Theorie zur Beschreibung elektromagnetischer Strahlung zu entwickeln. Auch nach ihr sollte sich das Licht mit 300.000 Kilometern pro Sekunde bewegen. Aber relativ zu was? Darüber gab die Theorie keine Auskunft. Um dieses Problem zu lösen, führten die Wissenschaftler den „Lichtäther“ ein: eine das gesamte Universum durchdringende Substanz, durch die sich das Licht ausbreitet. Was genau der Äther für eine Substanz sein sollte, wusste keiner. Es konnte sich auch niemand etwas vorstellen, das einerseits überall vorhanden ist und Lichtwellen weiterleiten kann, so wie die Luft Schallwellenleitet, aber andererseits komplett unsichtbar ist und keine Auswirkungen auf den Rest des Universums hat. Es war eben einfach irgendein Bezugspunkt vonnöten. Die 300.000 Kilometer pro Sekunde waren dann die Geschwindigkeit des Lichts in Bezug zum Äther.
    Wenn es den Äther gibt, müsste man das messen können: Die Erde bewegt sich ja um die Sonne und damit auch durch den ruhenden Äther hindurch. Diese Bewegung müsste die Geschwindigkeit des Lichts beeinflussen. So wie der Ball von der Spitze des Zuges geworfen schneller ist, sollte auch das Licht, das in die Bewegungsrichtung der Erde ausgestrahlt wird, schneller sein. Der Physiker Albert Abraham Michelson und der Chemiker Edward Morley wollten diesen Effekt messen. Ende des 19. Jahrhunderts führten sie entsprechende Experimente durch. Sie schickten Lichtstrahlen in verschiedene Richtungen, maßen ihre Geschwindigkeit und kamen immer wieder zum gleichen Ergebnis: Egal, wie sich die Erde bewegt, egal, in welche Richtung das Licht ausgestrahlt wird, Licht bewegt sich immer gleich schnell.
    Es brauchte die Genialität von Albert Einstein, um in der Frage der veränderbaren Lichtgeschwindigkeit Klarheit zu schaffen. Wenn die Theorie nicht sagt, in Bezug auf was sich das Licht bewegt, sondern nur die Geschwindigkeit von 300.000 Kilometern pro Sekunde angibt, und wenn Messungen zeigen, dass sich

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