Der Komet im Cocktailglas
Hundert Milliarden Galaxien, die das gesamte Universum bevölkern. Auf der Südhalbkugel können wir die große und die kleine Magellansche Wolke sehen. Dabei handelt es sich um zwei kleine Zwerggalaxien, die die Milchstraße als Satelliten umkreisen. Auf der Nordhalbkugel sehen wir die Andromedagalaxie, die sich uns als verwaschener Fleck am Himmel präsentiert. Sie ist ein wenig größer als unsere eigene Milchstraße und unvorstellbare 2,5 Millionen Lichtjahre weit entfernt. Das Licht, das uns von ihr erreicht, ist dort also vor 2,5 Millionen Jahren ausgesandt worden. Der Blick hinauf zur Andromedagalaxie ist einer in die fernste Vergangenheit – der den meisten Menschen aber wegen der Lichtverschmutzung verstellt ist.
In einer wirklich dunklen Nacht sehen wir auch, dass die Sterne nicht einfach nur weiße Lichtpunkte am Himmel sind. Wir erkennen ihre Farben. Wir können rote Sterne sehen, gelbe Sterne, weiße und blaue. Wir nehmen nicht nur die hellsten Sterne wahr, sondern auch die, die nur schwach leuchten. Wir sehen ein funkelndes, buntes Panorama aus Licht und Dunkelheit. Für die Menschen der Vergangenheit war so ein fantastischer Nachthimmel normal, und es ist kein Wunder, dass die Sterne jahrtausendelang Mythologie, Religion, Kunst und Philosophie inspirierten. Heute fehlt den meisten Menschen diese Inspiration – vielen schon deshalb, weil sie in hellen Städten wohnen und noch nie einen echten Nachthimmel gesehen haben.
Das wären eigentlich schon genug Gründe, um das Problem der Lichtverschmutzung ernst zu nehmen. Aber esgibt auch ganz handfeste finanzielle Argumente, die gegen die Dauerbeleuchtung der Nacht sprechen. Denn der Großteil des nächtlichen Lichts ist reine Verschwendung. Wir sind ja nicht daran interessiert, den Himmel zu beleuchten. Wir möchten helle Straßen haben. Wir möchten, dass die Räume in unseren Häusern erleuchtet sind, weil wir im Gegensatz zu unseren Vorfahren nicht mehr bei Einbruch der Dunkelheit schlafen gehen. Viele Lichter, die in unseren Städten leuchten, tun dies jedoch völlig ungezielt und ungeplant. Straßenlaternen strahlen ihr Licht oft in alle Richtungen ab und nicht nur dorthin, wo es gebraucht wird: auf die Straße. Sehenswürdigkeiten werden Nacht für Nacht angestrahlt, egal ob Leute da sind, die sie betrachten wollen, oder nicht. Im Boden versenkte Strahler machen nichts anderes, als in den Himmel zu leuchten, wobei sie zur Erhellung der Straßen kaum etwas beitragen. Selten befahrene Straßen werden trotzdem die ganze Nacht hindurch beleuchtet. All das ist nicht nur der Grund, warum die Lichtverschmutzung überhaupt existiert – es ist zudem eine enorme Verschwendung von elektrischem Strom und damit eine ziemliche Geldverschwendung.
Es ist klar, dass wir nicht wieder zurück in eine vorindustrielle Welt wollen. Die technischen Errungenschaften der letzten Jahrhunderte sind zu Recht wichtig für uns. Aber wir könnten uns bemühen, sie vernünftig einzusetzen. Es gibt heutzutage genug Möglichkeiten, wie man Städte so beleuchten kann, dass keine unnötige Aufhellung des Himmels entsteht. Man kann alte Straßenlaternen gegen neue austauschen, die wirklich nur die Straßen beleuchten und bei denen kaum Streulicht nach oben oder an die Seiten entweicht. Man kann intelligente Lichtsteuerungssysteme einsetzen, die wenig befahrene Straßen genau dann anstrahlen, wenn es nötig ist. Man kann die Beleuchtung belebter Plätze neu und effizienter planen und mit weniger Lichtquellen die gleiche Ausleuchtung erreichen. Solche Investitionen kosten natürlich Geld. Aber sie bringen auch Geld zurück. Augsburg in Deutschland gilt in Sachen „umweltfreundliche Beleuchtung“ als Modellstadt. Die Maßnahmen, die dort gegen die Lichtverschmutzung ergriffen wurden, haben den Stromverbrauch um 20 Prozent gesenkt und sparen der Stadt eine Viertelmillion Euro pro Jahr ein!
Es würde sich also lohnen, die Lichtverschmutzung zu beseitigen. Nicht nur finanziell. Dunkle Nächte sind besser für die Tiere, für die Umwelt und für unsere Gesundheit. Und wir würden etwas zurückbekommen, was wir schon zu lange verloren haben: den Blick auf das Universum. Hier, mitten in der Stadt, neben der hell erleuchteten Bar, werden wir ihn definitiv nicht finden. In Mitteleuropa ist es fast unmöglich, sich weit genug von den hellen Zentren der Zivilisation zu entfernen, um einen echten dunklen Himmel zu sehen. Aber ein wenig Dunkelheit ist besser als gar keine. Setzen wir also
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