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Der Komet im Cocktailglas

Der Komet im Cocktailglas

Titel: Der Komet im Cocktailglas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Freistetter
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dort oben schwächer als unten am Boden. Und deswegen vergeht die Zeit dort oben auch schneller als hier bei uns: Im Vergleich zu uns vergeht die Zeit für den Satelliten aus zwei Gründen anders: einmal, weil er sich schneller bewegt als wir, und einmal, weil die Gravitationskraft der Erde auf ihn nicht so stark wirkt wie auf uns. Der Effekt ist winzig. Insgesamt gehen die Uhren des Satelliten um nur 0,0000000444 Prozent schneller, als es eine Uhr auf der Erdoberfläche tun würde. Aber diese kleine Abweichung muss berücksichtigt werden, damit uns das Navi nicht in die Irre führt.
    Das Navigationsgerät des Taxis hat eine weitere Überraschung für uns parat. Es verrät uns auch noch etwas über die Form des Raums. Auf dem kleinen Bildschirm des Navis sehen wir einen Stadtplan, der uns zeigt, wo wir uns gerade befinden. Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten in der Stadt wäre eigentlich eine gerade Linie. Das hilft uns allerdings nicht weiter, denn da stehen überall Häuser im Weg, durch die wir nicht einfach durchfahren können. Aber selbst wenn wir uns in der Wüste befänden oder nicht in einem Auto, sondern in einem Hubschrauber sitzen würden, wäre die kürzeste Verbindung auf dem Stadtplan trotzdem keine exakt gerade Linie. Denn die Erde ist keine flache Scheibe, wie uns der Plan suggeriert, sondern eine Kugel. Und da funktionieren die Dinge ein wenig anders. Wir kennen das aus dem Flugzeug. Wenn wir von Europa nach Amerika fliegen, macht die Maschine einen großen Bogen in Richtung Norden und fliegt die USA über Island und Kanada an. Auf den meisten Landkarten sieht das wie ein großer Umweg aus, aber das liegt nur daran, dass sie die Welt flach abbilden, so wie es auch das Navigationsgerät tut. Wenn wir uns hingegen einen Globus vorstellen, sehen wir sofort, warum das Flugzeug diesen komischen Bogen macht.
    Als wir heute Morgen vor unserer Haustür standen und über den Ursprung des Windes nachgedacht haben, ist uns schon aufgefallen, dass man am Äquator länger braucht, um die Erde zu umrunden, als weiter nördlich oder südlich. Je weiter man nach Norden oder Süden kommt, desto kürzer ist der Weg, den man für eine Umrundung zurücklegen muss. Wenn wir zum Beispiel von Lissabon in Portugal aus nach New York in die USA reisen wollen, sieht es auf den meisten Landkarten so aus, als müssten wir einfach nur geradeaus nach Westen fliegen. Beide Städte liegen sich ja fast gegenüber. Das macht das Flugzeug aber nicht. Es fliegt zuerst ein wenig nach Norden. Denn dort ist der Weg zur anderen Seite der Erde kürzer, selbst wenn man berücksichtigt, dass der Flieger später wieder ein wenig nach Süden fliegen muss, um New York zu erreichen. Auf der Oberfläche der Erdkugel ist also eine „gebogene“ Linie (ein sogenannter „Großkreis“) die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten. Und wenn wir die Linie auf einem Globus anstatt auf einerLandkarte betrachten, sehen wir, dass sie eigentlich gar nicht gebogen ist. Wenn wir die Entfernung mit einer Schnur nachmessen, bräuchten wir auf vermeintlich „direktem“ Weg eine längere Schnur als auf der „gebogenen“ Flugbahn. Der kürzeste Weg von A nach B sieht auf den Landkarten nur deswegen gebogen aus, weil sie flach sind. Erst auf einem Globus sehen wir, dass die „gebogene“ Linie tatsächlich der kürzeste und „gerade“ Weg ist.
    Und wie sieht es allgemein im Universum aus? Welchen Weg nimmt zum Beispiel ein Lichtstrahl, wenn er von A nach B will? Hier müssen wir berücksichtigen, dass Raum und Zeit keine absoluten Größen mehr sind, wie uns Albert Einstein – und unser Navigationsgerät – eindrücklich gezeigt hat. Beides hängt miteinander zusammen und beeinflusst sich gegenseitig.
    Wir können den Weg durch den Raum nicht vom Weg durch die Zeit trennen. Deswegen hat Einstein das Konzept der „Raumzeit“ geschaffen. Das klingt komplizierter, als es ist. Unsere Taxifahrt ist zum Beispiel einerseits eine Fahrt durch den Raum – wir bewegen uns von der Bar im Zentrum bis zum Aussichtspunkt vor der Stadt und legen dabei eine bestimmte Strecke zurück –, andererseits aber auch durch die Zeit. Wir sind zu einer bestimmten Uhrzeit losgefahren und kommen zu einer bestimmten anderen Uhrzeit an (hoffentlich bald, wenn der Fahrer sich nicht noch einmal verfährt). Wir haben uns also durch die Raumzeit bewegt, von Ort A und Zeitpunkt A zu Ort B und Zeitpunkt B. Und weil wir mittlerweile wissen, dass die Bewegung durch den Raum

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