Der Komet im Cocktailglas
den Ablauf der Zeit beeinflusst, ist es nicht mehr ganz so einfach, den „kürzesten“ Weg zu finden.
Als wir vor der Bar auf das Taxi gewartet haben, sind wir 2 Minuten lang neben der Straße gestanden und habenuns nicht bewegt. Zumindest nicht im Raum. 43 Unsere „Bewegung“ durch die Raumzeit fand in diesen zwei Minuten nur durch die Zeit statt. Von Zeitpunkt A haben wir uns zu Zeitpunkt B bewegt, der zwei Minuten in der Zukunft lag. Stellen wir uns vor, eine Überwachungskamera (die sind ja mittlerweile überall) hätte uns beim Warten gefilmt. Dann könnten wir den Film in einzelne Bilder zerlegen und sie alle nebeneinander aufreihen. Im ersten Bild sähe man, wie wir an der Straße stehen und auf ein Taxi warten. Das zweite Bild zeigt uns eine Sekunde später, wie wir immer noch an der Straße stehen und auf ein Taxi warten. Das dritte Bild, wieder eine Sekunde später, zeigt dasselbe. Es ist ein recht langweiliger Film... Aber zumindest veranschaulicht er unseren Weg durch die Raumzeit recht gut. Der Weg beginnt ganz links beim ersten Bild und endet ganz rechts, beim Bild, das uns zwei Minuten später zeigt, als das Taxi endlich angekommen ist. Die Linie zwischen diesen beiden Punkten in der Raumzeit verläuft von links nach rechts und ist gerade. Was würde passieren, wenn wir probieren, sie irgendwie zu verkürzen?
Der Start- und der Endpunkt sind ja fixiert. Startpunkt A ist der Zeitpunkt, an dem wir vor die Bar getreten sind, und der Endpunkt B liegt zwei Minuten in der Zukunft, als das Taxi gerade ankommt. Wir können also nicht einfach ein anderes Taxi nehmen, das früher oder später ankommt, unser Weg durch die Zeit ist vorgegeben. Aber es gibt natürlich trotzdem jede Menge andere Wege, um von A nach B durch die Raumzeit zu gelangen. Als wir auf das Auto gewartet haben, stand neben uns eine Frau, die ebenfalls ein Taxi nehmen wollte. Sie hatte aber keine Lust, inaller Ruhe zu warten, sondern ist schnell auf die andere Straßenseite gelaufen, um sich dort im Kiosk einen Espresso zu kaufen. Dann kam sie wieder zurück, gerade als wir in das Taxi gestiegen sind. Ihr Weg durch die Raumzeit verlief also ebenfalls von Punkt A nach Punkt B, allerdings hat sie sich im Gegensatz zu uns dabei bewegt. War ihr Weg durch die Raumzeit nun also kürzer als unserer?
Um das zu klären, schauen wir uns wieder die Bilder der Überwachungskameras an. Auch die Frau wurde gefilmt, und auch von ihrem Weg existieren jede Menge Einzelbilder, die wir wie vorhin nebeneinanderlegen können: so dass ganz links das Bild liegt, das die Frau zeigt, wie sie noch neben uns am Straßenrand wartet und ganz rechts das Bild, das sie zeigt, als sie gerade wieder zurückkommt und wir in das Taxi steigen.
Betrachten wir die Bilder also von links nach rechts, dann sehen wir ihren Weg durch die Zeit . Das reicht in diesem Fall aber nicht, denn die Frau hat sich im Gegensatz zu uns ja auch durch den Raum bewegt. Im nächsten Bild der Überwachungskamera stehen wir noch immer am Platz, die Frau allerdings hat sich von uns entfernt und ist gerade dabei, die Straße zu überqueren. Im dritten Bild ist sie am Kiosk angekommen und trinkt ihren Kaffee. Bild 4 zeigt sie auf dem Rückweg zur anderen Straßenseite, und auf Bild 5 ist sie wieder neben uns angekommen (siehe das Diagramm auf Seite 189).
Wenn wir all die Bilder nebeneinanderlegen, sehen wir den Unterschied der beiden Wege durch die Raumzeit. Wir stehen einfach nur herum und die Linie, die unseren Weg von A nach B zeigt, verläuft gerade von links nach rechts. Die Linie, die den Weg der Frau zeigt, ist hingegen krumm. Denn sie bewegt sich ja von uns weg, in der Reihe der nebeneinandergelegten Bilder wird der Abstand zwischen ihr und uns zuerst immer größer und, als sie vom Kiosk zurückkommt, wieder kleiner.
Ihr Weg durch die Raumzeit verlief also entlang einer gebogenen Linie. Er ist länger als bei uns, denn wir haben uns nicht bewegt. Wir müssen aber aufpassen, dass wir Worte wie „länger“ oder „kürzer“ nicht im alltäglichen Sinn verwenden. Es geht hier nicht um rein räumliche Abstände zwischen zwei Punkten oder die rein zeitliche Dauer zwischen zwei Ereignissen, sondern um Abstände in der kombinierten Raumzeit. Den Unterschied merkt man schnell, wenn wir überlegen, was mit der Zeit passiert.
Wir haben einfach nur gewartet und uns dabei nicht durch den Raum bewegt. Zwei Minuten sind für uns vergangen, nichts ist währenddessen passiert. Die Frau aber hat sich
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