Der Komet im Cocktailglas
bewegt. Sie ist zum Kiosk gegenüber gelaufen. Und Einsteins spezielle Relativitätstheorie sagt uns, dass Bewegung einen Einfluss auf den Verlauf der Zeit hat. Aus unserer Sicht vergeht die Zeit für die sich bewegende Frau langsamer. Aus Sicht der Frau ist es genau umgekehrt. Für sie vergeht die Zeit schneller als für uns. Die Zeit, die für sie vergangen ist, war kürzer als zwei Minuten. Ihr insgesamt längerer, weil gebogenerer Weg durch die Raumzeit ist also einer, entlang dem die vergehende Zeit kürzer ist. Der kürzeste Weg durch die Raumzeit ist aber der, bei dem wir uns nicht bewegen. Also der, bei dem die Zeit so langsam wie möglich vergeht. Das mag wie ein Widerspruch klingen, ist aber keiner, weil es ja um den kürzesten Weg in der Raumzeit geht und nicht um die kürzeste Dauer zwischen zwei Ereignissen.
Das ist alles ein wenig verwirrend, und daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Einstein noch ein paar Jahre brauchte, um komplett auszuarbeiten, was das alles zu bedeuten hat. Die Konsequenzen sind allerdings höchst überraschend. Wenn ein Lichtstrahl (oder irgendetwas anderes) sich von A nach B durch die Raumzeit bewegt, nimmt er dabei immer den Weg, auf dem für ihn die längste Zeit vergeht. Als wir vorhin über den GPS-Satelliten und den Einfluss der Gravitation nachgedacht haben, haben wir auch festgestellt, dass die Zeit umso langsamer vergeht, je stärker die Gravitationskraft wirkt. Je näher man zum Beispiel der Erde kommt, desto langsamer vergeht die Zeit. Ein Lichtstrahl, der den kürzesten Weg durch die Raumzeit nehmen will und an der Erde vorbeifliegt, wird sich also zu ihr hin bewegen, denn in ihrer Nähe vergeht die Zeit langsamer. Die Erde zieht den Lichtstrahl (und alles andere ebenfalls) quasi an. Das machen natürlich auch alle anderen Planeten und Sterne. Da dank ihrer Gravitationskraft in ihrer Nähe die Zeit langsamer vergeht, verzerren sie die Raumzeit. Lichtstrahlen und alle andere Objekte die durchs All fliegen, folgen diesen Verzerrungen. Der GPS-Satellit, der die Erde umkreist, tut das also deswegen, weil die Erde die Raumzeit ein klein wenig gekrümmt hat. So wie eine Murmel in einem Trichter immer im Kreis herum läuft, bewegt sich der Satellit um den „Trichter“, den die Erde in der Raumzeit erzeugt hat. Das, was wir als „Gravitationskraft“ ansehen, ist also nur die Auswirkung der gekrümmten Raumzeit auf die Bewegung der Himmelskörper!
Es ist überraschend, was alles hinter so einem kleinen und unscheinbaren Gerät wie dem Navi des Taxifahrers steckt. Es zeigt uns nicht nur den richtigen Weg durch die Stadt, sondern auch, dass Raum und Zeit keine absoluten Größen sind und sich vielmehr gegenseitig beeinflussen. Das Navi macht uns klar, dass die Zeit nicht für alle gleich vergeht, sondern dass es davon abhängt, wie schnell mansich bewegt. Schließlich wird an seinem Beispiel die fundamentale Struktur von Raum und Zeit deutlich – und wie die Krümmung der Raumzeit die Bewegung aller Objekte im Universum beeinflusst. Ganz schon viel für etwas, für das man in einem Elektroladen kaum mehr als 100 Euro bezahlen muss...
Bezahlen müssen nun auch wir. Das Taxi hält. Wir sind an unserem Lieblingsort draußen vor der Stadt angekommen Das Navigationsgerät hat uns auf dem Weg hierhin gezeigt, dass das Universum ganz anders ist, als wir es uns vorgestellt haben. Hier draußen ist es nun endlich dunkel genug, um es auch vernünftig sehen zu können. Schauen wir also hinauf in den Himmel und sehen nach, was uns der Kosmos zu bieten hat!
Weißt du, wie viel Sternlein stehen...?
Doch erst mal warten wir, bis das Taxi um die Ecke gebogen und das Licht seiner Scheinwerfer verschwunden ist. So, endlich dunkel. Und über uns funkeln die Sterne! Gänzlich von irdischen Lichtquellen verschont ist der Himmel zwar immer noch nicht – über der fernen Stadt sehen wir deutlich die helle Glocke des Lichtsmogs hängen –, doch hier sehen wir nicht mehr nur eine Handvoll heller Sterne, sondern dazwischen auch viele kleinere, die uns vorher entgangen sind. Das alte Kinderlied kommt uns in den Sinn: „Weißt du, wie viel Sternlein stehen...?“ Es scheinen viel zu viele zu sein, um sie zählen zu können. Trotzdem haben es die Astronomen natürlich getan. Schon in der Antike zählten sie all die Sterne, die sie mit bloßem Auge sehen können. Heute wissen wir, dass es insgesamt ungefähr 6.000 Sterne sind, die wir ohne Hilfsmittel zu beobachten in der Lage sind.
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