Der Komet im Cocktailglas
weitergewandert ist und auf der rechten Seite der Erde steht, ist die Situation genau umgekehrt. Wieder wendet er der Erde eine halb beleuchtete Hälfte zu, es ist also wieder ein Halbmond zu sehen (dieses Mal nennt man die Position das „letzte“ Viertel). Nun ist der Mond aber nur von der rechten Seite der Erde zu betrachten. Auch hier ist eine Hälfte von der Sonne beleuchtet und eine dunkel. In der hellen Hälfte ist Vormittag, in der dunklen Seite vergeht gerade die zweite Nachthälfte. Wenn wir den Mond sehen wollen, müssen wir warten, bis die Erde uns auf die rechte Seite gedreht hat. Da sie das gegen den Uhrzeigersinn tut, beginnt für uns die Nacht auf der linken Seite, wo wir den Mond nicht sehen können. Erst in der zweiten Hälfte der Nacht haben wir uns auf die rechte, dem Mond zugewandte Seite gedreht und können ihn beobachten. Der Halbmond des letzten Viertels ist nur in der zweiten Nachthälfte und am Vormittag zu sehen.
Während 28 Tagen durchläuft der Mond also alle seine Phasen. Zuerst kommt Neumond, dann das erste Viertel, also der zunehmende Halbmond, dann der Vollmond und schließlich das letzte Viertel, der abnehmende Halbmond, bevor der Zyklus mit dem Neumond wieder von vorne beginnt. Der zunehmende Mond ist nur in der ersten Hälfte der Nacht zu sehen, der abnehmende dagegen nur in der zweiten. Es ist nun ganz einfach herauszufinden, ob der Mond zu- oder abnimmt, ohne uns an die Schreibschrift aus dem letzten Jahrhundert erinnern zu müssen. Ist esnoch Abend, muss die Mondsichel am Himmel zu einem zunehmenden Mond gehören. Ein Mond, der in der zweiten Hälfte der Nacht beziehungsweise am Morgen zu sehen ist, kann immer nur ein abnehmender Mond sein!
Die schöne Mondsichel, die wir gerade am Himmel sehen, zeigt uns also einen zunehmenden Mond. Sie wird in den nächsten Tagen immer voller werden, und in etwas mehr als einer Woche wird ein großer Vollmond am Himmel stehen. Dann müssen wir übrigens nicht damit rechnen, dass alle Menschen auf einmal verrückt spielen, dass die Verbrechensrate ansteigt oder andere beunruhigende Dinge stattfinden. Dieser „mysteriöse“ Einfluss des Mondes existiert nicht. Wir haben ja gerade gesehen, dass sich der Mond selbst im Laufe der Zeit nicht verändert. Egal, welche Mondphase gerade herrscht, der Mond ist immer derselbe, es ändert sich nur unser Blickwinkel auf seine beleuchtete Hälfte: Mal sehen wir davon mehr, mal weniger. Auch am Licht des Mondes ist nichts besonders. Es ist das Licht der Sonne, das der Mond zur Erde reflektiert. Licht, das uns jeden Tag in viel größeren Mengen direkt von der Sonne erreicht.
Natürlich beeinflusst der Mond die Erde. Auf eine Art, die wir bereits kennen. Die Gezeitenkraft, die der Mond ausübt, bremst ihre Rotation und verursacht Ebbe und Flut. Aber – so ein oft gehörtes Argument – wenn der Mond das Wasser der Ozeane anheben kann, was wird er dann erst mit dem menschlichen Körper anstellen, der ja immerhin auch zu 55 bis 60 Prozent aus Wasser besteht? Die Antwort darauf ist einfach: nichts! Die Gezeitenkraft hat nur dann eine relevante Wirkung, wenn es um ausgedehnte Objekte geht. Sehr ausgedehnte Objekte. Nur bei ihnen ist der Unterschied zwischen den an verschiedenen Positionen wirkenden Gravitationskräften groß genug,um einen Gezeiteneffekt hervorzurufen. Erinnern wir uns: Die Gezeitenkraft gibt es nur, weil die Anziehungskraft auf der dem Mond zugewandten Seite der Erde größer ist als auf der dem Mond abgewandten. Deswegen sehen wir Ebbe und Flut ja auch nur in den großen Ozeanen, aber nicht in unserem Baggersee, in der Badewanne oder im Cocktailglas. Die Gravitationskraft, die der Mond auf die Flüssigkeit im Glas ausübt, ist überall gleich groß. Die Flüssigkeit am Boden des Glases ist zwar ein paar Zentimeter weiter vom Mond entfernt als die Flüssigkeit am oberen Rand. Der Unterschied in der wirkenden Gravitationskraft ist aber so winzig, dass er keine relevante Gezeitenkraft hervorruft – weswegen wir unseren Cocktail in der Bar auch ungestört trinken konnten und nicht von einer plötzlichen Flut im Glas überrascht worden sind. Für das Wasser in unserem Körper gilt dasselbe. Wir Menschen sind ja keine großen Wassersäcke, in denen die Flüssigkeit wild hin und her schwappen kann. Das Wasser befindet sich hauptsächlich in den mikroskopischen Zellen und bewegt sich nur bedingt durch den Körper. Der Unterschied in der Anziehungskraft ist so gering, dass eine Gezeitenkraft
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