Der Komet im Cocktailglas
irgendwo einen Stern sehen, egal wohin wir am Himmel schauen – und es gäbe keine Lücken, keinen schwarzen, leeren Raum zwischen den Sternen. Anstatt einer dunklen Nacht mit ein paar hellen Sternen sollten wir eigentlich einen gleichmäßig erleuchteten Himmel sehen.
Wie meinte Olbers das? Zu seiner Zeit wusste man noch nicht viel über das Universum. Die vorherrschende Meinung lautete damals, dass der Kosmos immer schon existierte und immer existieren wird. Das Universum müsse unendlich groß sein und statisch. Es sei die ewige und unveränderliche Bühne für alles, was in ihm passiert. In diesem Universum gebe es auch keine besonderen Orte, die sich vom Rest des Ganzen unterscheiden: Wenn ein Teil des Kosmos voller Sterne ist, dann muss das gesamte Universum voller Sterne sein. Aus der damaligen Sicht macht Olbers’ Behauptung Sinn: Wenn das Universum unendlich groß ist und gleichmäßig mit Sternen bevölkert,dann muss unser Blick immer auf einen Stern treffen, egal in welche Richtung wir schauen. Der Himmel müsste ein hell erleuchtetes Meer aus Sternen sein.
Wir können das leicht nachvollziehen. Blicken wir auf das kleine Waldstück, das sich am Rand der Felder befindet. Ganz vorne sehen wir ein paar Bäume. Zwischen den Bäumen befinden sich Lücken, aber in diesen Lücken sehen wir weitere Bäume, die ein Stückchen weiter hinten wachsen. Auch zwischen ihnen befinden sich Lücken, die uns den Blick auf noch mehr Bäume noch weiter hinten eröffnen. Wir können nicht durch den Wald hindurch sehen, wohin unser Blick auch fällt, trifft er irgendwann auf einen Baum. Ein Wald ist natürlich etwas anderes als das Universum. Er ist viel kleiner und die Bäume stehen viel dichter beisammen, als es die Sterne tun. Die Analogie stimmt aber: Auch im Kosmos des Heinrich Wilhelm Olbers gibt es umso mehr Sterne, je weiter man blickt. Die Sterne erscheinen uns zwar umso kleiner, je weiter weg sie sind, aber dafür sehen wir auch immer mehr von ihnen. In Summe sollte sich das ausgleichen und einen hellen Himmel erzeugen.
Dieses Problem wurde als „Olberssches Paradox“ bekannt, denn ganz offensichtlich ist die Nacht nicht hell, sondern dunkel. Irgendetwas kann da nicht stimmen. Heute wissen wir, wo das Problem liegt. Das damalige Weltbild ging von einem unendlich alten und unendlich großen Universum aus. Unser Kosmos entstand aber vor 13,7 Milliarden Jahren und ist nicht unendlich alt. Er ist auch nicht unendlich groß, und wir sehen nur einen Teil davon. Denn – erinnern wir uns an die Taxifahrt, die uns ohne die GPS-Satelliten nicht so leicht zum Ziel geführt hätte – das Licht bewegt sich nicht unendlich schnell, und nichts ist schneller als das Licht. Das Licht der Sterne musssich seinen Weg erst bis zu unseren Augen bahnen, und das dauert. Viele Sterne sind so weit entfernt, dass ihr Licht seit dem Urknall noch gar nicht die Zeit hatte, bis zu uns zu gelangen. Wir wissen heute, dass auch die Sterne nicht ewig leben. Sie entstehen und vergehen wieder und leuchten nicht für immer.
Olbers und seine Zeitgenossen gingen außerdem davon aus, dass das Universum statisch sei und sich nicht verändere. Auch das stimmt nicht, wie wir heute wissen. Nach seiner Entstehung vor 13,7 Milliarden Jahren begann das All sich auszudehnen, und es expandiert heute noch. Dieses Phänomen ist uns auf dem Fernseher der Bar in Form der kosmischen Hintergrundstrahlung begegnet. Bei dieser handelt es sich ja tatsächlich um Licht, das aus allen Richtungen des Himmels kommt. Aber da es schon vor so langer Zeit entstanden ist und sich das Universum seitdem so stark ausgedehnt und dabei die Wellen des Lichts so stark gestreckt hat, können wir es nicht mehr sehen, sondern nur noch als schwache Mikrowellenstrahlung wahrnehmen. Hätte sich das Universum nicht ausgedehnt, wäre der Himmel heute tatsächlich Tag und Nacht von dem Licht hell erleuchtet, das sich kurz nach dem Urknall erstmals frei bewegen konnte.
Es ist deswegen nachts dunkel, weil Sterne nicht ewig leben. Weil das Licht sich nicht unendlich schnell bewegt. Weil das Universum nicht unveränderlich ist, sondern sich ausdehnt. Weil es nicht schon immer existierte, sondern einen Anfang hatte. Das sind ziemlich fundamentale Einsichten für die simple Beobachtung: Nachts wird es dunkel.
Auf jede dunkle Nacht folgt ein heller Tag. Die Sterne verschwinden vom Himmel, und die Sonne übernimmt das Kommando. Der Zauber der Nacht verfliegt, und imhellen Tageslicht beginnt für
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