Der Kommandant und das Mädchen
leid, aber wir sollen sofort zurückkommen.”
Hoffmann wendet sich an Krysia. “Wie es scheint, bleibt die Tür Ihrer Gartenlaube vorerst verschont. Trotzdem danke ich Ihnen für Ihre Kooperation.” Die Männer gehen fort und verschwinden in der Nacht.
Krysia schließt hinter ihnen die Tür. Draußen wird der Automotor gestartet, schnell entfernt sich das Geräusch. “Das war knapp.” Erleichtert atme ich aus.
Sie antwortet nicht, sondern sinkt auf die unterste Treppenstufe und hält sich die Brust. Ihr Gesicht ist ganz blass. “Krysia, was ist?”, frage ich und knie mich neben sie. “Geht es dir nicht gut?”
“Doch, doch”, bringt sie heraus, aber ihre Stimme ist kaum mehr ein Flüstern. Normalerweise strotzt sie nur so vor Kraft, doch der Besuch der Gestapo war offenbar zu viel.
“Komm, lass uns erst einmal beruhigen.” Ich lege einen Arm um sie und helfe ihr auf. Gemeinsam begeben wir uns in die Küche, wo ich sie zu einem Stuhl begleite. Plötzlich höre ich Łukasz von oben weinen. “Warte hier”, sage ich zu Krysia.
Łukasz steht in seinem Kinderbett, sein Gesicht ist rot und tränenüberströmt. Ich hebe ihn hoch und drücke ihn an mich. “Braver Junge”, flüstere ich und bin dankbar dafür, dass er nicht schon früher geweint hat.
Ich nehme ihn mit zu Krysia, die sich nicht von der Stelle gerührt hat. “Hier.” Ich setze ihr Łukasz auf den Schoß, sie drückt ihn fest an sich und wiegt ihn sanft hin und her. “Ich mache uns Tee.”
Krysia schüttelt den Kopf. “Keinen Tee”, lehnt sie ab. “Wodka.” Ich erinnere mich an die Flasche, die mir ganz hinten im Küchenschrank aufgefallen war. Ich hole sie hervor und schenke zwei Gläser ein, danach gieße ich für Łukasz etwas Milch in eine Tasse und setze mich zu den beiden an den Tisch. Als Krysia nach ihrem Glas greift, windet sich Łukasz aus ihrem Arm und nimmt mir die Milch ab.
“Geht es wieder etwas besser?”, frage ich Krysia und mustere ihr Gesicht. Ihre Wangen haben meiner Meinung nach ein wenig Farbe angenommen.
“Ja. Tut mir leid, was da passiert ist”, erwidert sie. “Manchmal bekomme ich solche … solche Beklemmungen, wenn die Situation sehr angespannt ist.”
Bei ihren Worten bekomme ich es mit der Angst zu tun. “Krysia, das könnte dein Herz sein. Du musst einen Arzt aufsuchen.”
Sie schüttelt den Kopf. “Was sollte ein Arzt für mich tun können? Nein, das geht schon wieder.”
Ich möchte widersprechen, doch ich weiß, das würde zu nichts führen. “Na, wenigstens sind wir die Gestapo los.”
“Jedenfalls für den Moment”, sagt sie angespannt. “Mein Gefühl verrät mir, dass sie wiederkommen werden.”
Ich muss schlucken. Daran will ich jetzt nicht denken. “Warst du besorgt, Jakub könnte sich in der Laube versteckt halten?”
“Nein, überhaupt nicht. Ich wusste, Jakub hat längst das Weite gesucht. Aber da sind einige Dinge … na ja, sagen wir, da sind Dinge, die die Bewegung sofort an sich nehmen muss. In der Laube darf sich nichts mehr befinden, wenn die Gestapo zurückkehrt.”
“Du scheinst davon überzeugt, dass das geschieht.”
“Auf jeden Fall. Ich glaube, ich hatte diesen Hoffmann ganz gut abgelenkt …”
“O ja”, unterbreche ich sie. “Du hast sehr überzeugend mit ihm geschäkert.”
Lächelnd erwidert sie: “Ich dachte bereits, ich wäre ein wenig eingerostet, doch vermutlich gehört das zu den Dingen, die man nie verlernt. Jedenfalls habe ich Hoffmann ablenken können, aber Braun war nach wie vor misstrauisch. Er ist hartnäckig wie ein Hund, der sich in seine Beute verbissen hat.” Ich nicke zustimmend, da ich diese Sorte kenne. “Wenigstens ist Łukasz lange genug ruhig geblieben.” Als der Junge seinen Namen hört, sieht er zu uns und lacht. “Beim nächsten Mal läuft es vielleicht nicht so gut.”
Ich lasse mich auf meinem Stuhl zurücksinken, als mir bewusst wird, wie knapp wir einer Katastrophe entkommen sind. Die Gestapo war auf der Suche nach Jakub. Ein paar Minuten früher, und wir würden jetzt alle im Gefängnis sitzen.
Ruhig bleiben
, sage ich mir.
Jetzt musst du für Krysia stark sein.
Ich nippe an meinem Wodka und versuche, nicht das Gesicht zu verziehen. “Ich hatte überlegt, ob ich ihnen gegenüber erwähnen soll, dass ich für den Kommandanten arbeite.”
“Es ist gut, dass du das nicht getan hast”, erklärt sie. “Wir sollten den Kommandanten nicht auch noch auf eine mögliche Verbindung zwischen dir und Jakub aufmerksam
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