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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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Die Nazis werden erst dann aufhören, wenn sie auch den letzten Juden ermordet haben.”
    “Nein …” Entsetzt wende ich mich ab. Das kann nicht wahr sein. Andererseits machen es mir Aleks eindringliche Worte unmöglich, an ihnen zu zweifeln. Bis zu diesem Moment war mir nicht klar, dass die Nazis uns nicht bloß unterjochen, sondern gänzlich auslöschen wollen.
    “Wir glauben, dass der entscheidende Zeitpunkt gekommen ist”, fährt er fort. “Die Informationen, die wir von dir erhalten haben, sind der Beleg, dass die Deutschen das Ghetto hier in Kraków auflösen und alle Juden in Todeslager schicken werden. Darum ist es so wichtig, jetzt zu handeln.”
    “Ja”, erwidere ich leise. Alek hat recht. Trotz meiner Liebe zu Jakub und trotz aller Sorge ist da nichts mehr, was ich jetzt noch sagen könnte.
    “Gut. Emma, da wäre noch etwas.” Ich werfe ihm einen fragenden Blick zu. “Es betrifft Richwalder. Ich weiß, du willst etwas über seine Vergangenheit wissen, und über seine Frau.” Ich nicke. Das muss er von Krysia erfahren haben. “Ich war lange Zeit der Meinung, je weniger du weißt, umso leichter fällt es dir, für ihn zu arbeiten. Aber nun …” Sekundenlang schweigt er. “Na ja, ich weiß nicht, ob und wie oft wir uns noch hier treffen können. Deshalb ist es wichtig, dass du alles erfährst. Richwalders Frau hieß Margot.”
    “Ich weiß”, gebe ich zurück.
    “Aber du weißt nicht, dass ihr Mädchenname Rosenthal war. Sie war eine Halbjüdin, Emma.” Ich sehe ihn sprachlos an, während er fortfährt: “Als der Krieg ausbrach, war Richwalder der Meinung, er könne die Herkunft seiner Frau geheim halten. Aber kurz nachdem er auf einen hohen Verwaltungsposten berufen wurde, nahm man Margots Vater fest und deportierte ihn in ein Lager. Margot flehte ihren Ehemann an, sich für ihren Vater einzusetzen, doch Richwalder wusste, dass damit nur die Abstammung seiner Frau publik werden würde. Also lehnte er ihre Bitte ab. Rosenthal wurde hingerichtet, und am nächsten Tag fand Richwalder seine Frau zu Hause tot im Bett. Sie hat sich erschossen – mit seinem Revolver.”
    “O nein”, flüstere ich.
    “Sie war im sechsten Monat schwanger, als sie sich das Leben nahm”, fügt er noch hinzu, doch ich kann ihn kaum hören, so laut pulsiert das Blut in meinen Ohren. “Du verstehst jetzt, warum wir es für besser hielten, dir die Wahrheit zu verschweigen. Aber es ist egal, was du jetzt denkst und was geschehen wird, Emma. Du musst Richwalder weiterhin etwas vorspielen, denn davon hängen sehr viele Menschenleben ab.”
    Ich sitze wie erstarrt da und bekomme kein Wort heraus.
    “Es tut mir leid, doch ich muss jetzt gehen”, sagt er, steht auf und legt ein paar Münzen auf den Tisch.
    “Wie … ich meine, wann werde ich einen von euch wiedersehen?”, frage ich.
    Er legt eine Hand auf meine Schulter. “Hab Vertrauen, Emma. Auch diese Zeit wird vorübergehen. Ich freue mich schon auf den Tag, an dem ich mit dir und unseren Freunden in einem Straßencafé sitzen und auf das zurückblicken kann, was wir geleistet haben.”
    Seine Worte klingen zuversichtlich, doch der besorgte Ausdruck in seinen Augen verrät mir, dass er nicht davon ausgeht, einen solchen Tag jemals zu erleben. Zugleich sehe ich ihm aber auch an, dass er keine Angst vor dem hat, was kommen wird. Voll Ehrfurcht angesichts eines solchen Mutes sehe ich zu ihm auf. “Möge Gott dich beschützen, Alek”, flüstere ich und drücke seine Hand. “Und vielen Dank.”
    Ohne ein weiteres Wort wendet er sich ab und verlässt das Café.

20. KAPITEL
    “G ute Nacht”, sage ich zu Stanislaw, als ich vor dem Wohnhaus des Kommandanten aus dem Wagen steige. Während er davonfährt, stehe ich einen Moment lang da und sehe mich um. Es ist Ende Dezember, und es hat eben erst aufgehört zu schneien. Obwohl wir bereits sechs Uhr am Abend haben und die Sonne längst untergegangen ist, scheint der Himmel doch zu strahlen. Den Boden überzieht eine zentimeterhohe Schneeschicht, die alles bedeckt und es unmöglich macht, den Fußweg von der Fahrbahn zu unterscheiden. Ich bücke mich und nehme eine Handvoll Schnee auf, halte ihn gegen meine Wange und atme tief seinen Geruch ein. Die Stadt kommt mir leer und merkwürdig still vor.
    Fast drei Wochen sind seit meiner Unterredung mit Alek vergangen. Zuerst hatte ich gedacht, ich könnte diese Maskerade nicht länger fortsetzen, da ich nun von der Vergangenheit des Kommandanten und den Plänen der Nazis

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