Der Kommandant und das Mädchen
Besuchs auch nur für ein paar Sekunden aus den Augen zu lassen, doch Krysia und er sind länger verwandt, als ich mit ihm verheiratet bin. Ich weiß, sie beide wollen sich ungestört unterhalten, und ich möchte Krysia die Gelegenheit dazu geben. Jakub zwinkert mir zu, während ich mit Łukasz hinausgehe.
Als wir die Treppe hinaufgehen, überschlagen sich meine Gedanken. Jakub ist hier, und so ganz kann ich das noch immer nicht fassen – genauso wenig wie die Tatsache, dass er bald schon wieder fort sein wird. Unten kann ich die beiden leise reden hören. Krysia hat eine gewisse Ahnung von dem, was die Bewegung plant, und ihrem angespannten Tonfall nach zu urteilen, ist sie dagegen. Ich versuche, ein paar Fetzen aufzuschnappen, da ich zu besorgt bin, als dass es mir etwas ausmachen würde, sie zu belauschen. Doch so sehr ich meine Ohren auch anstrenge, kann ich doch nicht viel verstehen.
Nachdem ich Łukasz ins Bett gelegt habe, damit er ein wenig schläft, kehre ich in den Salon zurück. Krysia und Jakub verstummen mitten im Satz, als ich hereinkomme. Ich frage mich, was wohl so schrecklich und streng geheim ist, dass ich es nicht hören darf. Auch ich bin große Risiken eingegangen, um der Bewegung zu helfen, dennoch fühle ich mich manchmal wie ein Außenseiter.
Meine Verärgerung nimmt ein jähes Ende, als ich aus dem Fenster schaue. Es ist erst halb vier, doch es beginnt bereits zu dämmern. Krysia folgt meinem Blick und versteht. “Ich glaube, ich werde mich auch ein wenig frisch machen”, sagt sie abrupt. “Ich habe dir einen Korb gepackt, Jakub. Essen und warme Kleidung. Er steht auf dem Tisch in der Küche.” Da Łukasz nicht mit im Zimmer ist, gibt es keinen Grund, bestimmte Themen zu meiden. Sie umarmt ihren Neffen. “Viel Glück, mein Schatz. Möge Gott dich begleiten.” Während sie sich abwendet und das Zimmer verlässt, sehe ich, dass auf Jakubs Wangen ihre Tränen schimmern.
Wir beide stehen mitten im Salon und fühlen uns so unbeholfen wie bei unserer ersten Begegnung. “Dass du hier bist, ist wundervoll für sie”, sagt er.
“Das höre ich gern. Ich war schon besorgt, wir könnten eine zu große Belastung sein.”
“Überhaupt nicht.” Wir stehen da und sehen uns schweigend an. Ein paar Mal muss ich zwinkern, weil ich nicht vor ihm in Tränen ausbrechen will. Er legt beide Arme um mich und drückt sein Kinn auf meinen Kopf. “Ich komme zu dir zurück, Emma. Ganz gleich, was auch geschieht, wir werden bald wieder zusammen sein.”
“Ich bin immer bei dir”, erwidere ich, woraufhin er nickt und mich innig küsst. Als sich unsere Lippen lösen, kneife ich weiter die Augen zu und versuche, diesen Moment für die Ewigkeit festzuhalten. Als ich meine Augen wieder öffne, starre ich ins Leere. Ich höre seine schweren Schritte, dann wird die Haustür geöffnet und leise zugezogen. Schnell laufe ich ans Fenster und suche die Straße nach ihm ab, doch er ist nirgends zu sehen.
Ich kehre an die Stelle zurück, an der wir uns zuletzt in den Armen lagen, und hoffe, noch etwas von seinem Duft wahrzunehmen, doch die Luft um mich herum ist kalt geworden. Ein paar Stunden lang war ich noch einmal Emma, aber nun ist Jakub gegangen, und ich bin nur wieder Anna, die Freundin des Kommandanten.
Minuten später kommt Krysia die Treppe herunter. “Ist er weg?”, fragt sie, als sie vor mir steht.
Ehe ich antworten kann, wird an die Tür geklopft. “Jakub!”, rufe ich aus und laufe los. Vielleicht hat er etwas vergessen. Oder er hat sich überlegt, die Nacht doch hier zu verbringen.
“Emma, warte!”, ruft Krysia mir nach. “Jakub würde nicht …”
Doch es ist bereits zu spät. Ich reiße die Tür auf. “Ich dachte, du …” Dann verstumme ich mitten im Satz. Vor mir stehen zwei Offiziere der Gestapo.
19. KAPITEL
I ch starre die Gestapo-Offiziere an, ohne einen Ton herauszubringen. Panik überkommt mich. Haben sie Jakub gesehen? Einen so großen Vorsprung kann er noch nicht haben. Vielleicht sind sie deswegen hier. “G-guten Abend”, kann ich schließlich doch herausbringen, obwohl meine Kehle wie zugeschnürt ist.
“Erwarten Sie jemanden?”, fragt der ältere der beiden Männer.
Fieberhaft suche ich nach einer Antwort. “Ja, unseren Gärtner Ryszard, der noch etwas herbringen sollte”, antwortet Krysia hinter mir an meiner Stelle. Nun schiebt sie sich vor mich und streckt ihre Hand aus. “Ich bin Krysia Smok.”
Der ältere Offizier, ein schmaler, großer Mann mit Brille,
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