Der Kommandant und das Mädchen
schüttelt ihre Hand. “Leutnant Hoffmann, das hier ist Feldwebel Braun.” Er deutet auf den Jüngeren, der kleiner und von stämmiger Statur ist.
Krysia will auch Braun die Hand schütteln, doch der nickt nur knapp. “Möchten die Herren nicht eintreten?” Sie klingt so nett und höflich, als würde sie gute Freunde zum Tee einladen. Während ich die Tür hinter den beiden Männern schließe, werfe ich Krysia einen verständnislosen Blick zu. “Kommen Sie in den Salon”, sagt sie. “Da ist es viel wärmer.” Dann erst wird mir klar, dass sie die zwei Gestapo-Leute von der Straße haben will, damit sie Jakub nicht bemerken.
Sie
sollte eigentlich unter falschem Namen bei den Deutschen arbeiten, denn sie ist eine viel bessere Schauspielerin als ich.
Krysia führt uns alle in den Salon und wendet sich dann an mich: “Mach uns bitte einen Tee, meine Liebe.” Ich möchte sie nur ungern mit den Männern allein lassen, aber ihr Tonfall ist ruhig und bestimmend. In der Küche fülle ich Wasser in den Kessel, während ich fieberhaft nachdenke. Warum kommt die Gestapo jetzt her? Was wollen die Männer hier? Einige Minuten später trage ich das Tablett mit dem Tee in den Salon, muss aber meine Finger dazu zwingen, nicht zu zittern. Ich stelle das Tablett auf den niedrigen Tisch. Als ich den Tee einschenke, werfe ich den beiden Männern verstohlene Blicke zu. Leutnant Hoffmann steht am Kamin und betrachtet Marcins Foto auf dem Sims. Dabei denke ich daran, wie traurig ich war, dass wir nach meiner Ankunft Jakubs Fotos versteckt haben. Jetzt bin ich Krysia für ihre Weitsicht dankbar.
Rasch sehe ich mich um, ob es noch irgendeinen Hinweis darauf gibt, dass sich erst vor ein paar Minuten mein Mann hier aufgehalten hat, doch ich kann nichts entdecken. Feldwebel Braun tritt ans Fenster und schaut in den Wald hinaus. Ich werfe Krysia einen nervösen Blick zu. Kann es sein, dass er Jakub in der Dunkelheit davonlaufen sieht? “Meine Herren, bitte, trinken Sie doch einen Tee”, beharrt sie. Langsam und ein wenig widerstrebend kommen die Männer zu ihr und setzen sich uns gegenüber. “Sie müssen entschuldigen, dass wir das Alltagsgeschirr benutzen”, sagt sie und reicht jedem von ihnen eine Tasse. “Und auch, dass ich nicht angemessen gekleidet bin. Sie müssen wissen, wir sind es nicht gewöhnt, solch hohen Besuch ohne vorherige Ankündigung zu empfangen.” Sie betont ‘ohne Ankündigung’, um den Männern auf subtile Weise zu verstehen zu geben, dass sie eigentlich nicht willkommen sind.
“Entschuldigen Sie, wenn wir ungelegen kommen”, erklärt Hoffmann und hört sich wie ein Schuljunge an, den man soeben zurechtgewiesen hat. “Es ist nur so, dass wir …”
“Unsinn!”, poltert Braun in einem Tonfall, der mich an Generalmajor Ludwig erinnert. “Die Gestapo macht nicht erst Termine, gute Frau.”
“Ja, natürlich”, erwidert Krysia ruhig. Sie spricht auffallend langsam, um Zeit zu gewinnen. “Unser Haus steht Ihnen immer offen. Was führt Sie her? Wie können wir Ihnen behilflich sein?”
“Wir haben Berichte erhalten, dass sich hier in der Gegend Flüchtlinge aufhalten sollen”, antwortet Hoffmann. Mir ist klar, dass er die Widerstandskämpfer meint, aber natürlich werden die Deutschen sie nicht als solche bezeichnen. “Sie sollen im Wald bei den Hügeln ihren Treffpunkt haben.”
“In Las Wolski?”, fragt Krysia so überrascht, dass sie sogar mich fast überzeugen kann.
Er nickt. “Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen?”
“Nein”, erklärt sie nachdrücklich. “Allerdings gehen wir um diese Jahreszeit auch nicht im Wald spazieren.”
“Natürlich”, gibt Braun zurück, dessen Tonfall eine Spur Sarkasmus aufweist. Er sieht Krysia direkt in die Augen. “Haben Sie in letzter Zeit etwas von Ihrem Neffen gehört?”
Die Frage kommt so plötzlich, dass ich vor Schreck unwillkürlich nach Luft schnappen muss. Einen Moment lang herrscht Stille im Zimmer, und ich kann nur hoffen, dass die beiden meine Reaktion nicht bemerkt haben. “Ich habe mehrere Neffen, mein Herr”, erwidert Krysia. Ihre Stimme zittert ein wenig. “Von welchem reden Sie?”
“Von dem Neffen Ihres Ehemanns, und da haben Sie nur einen: Jakub Bau.” Mir gefriert das Blut in den Adern. Sie wissen von Jakub.
“Ach, Sie meinen Marcins Neffen Jakub.” Sie betont den Namen meines Mannes, als hätte sie ihn seit Jahren nicht mehr gehört.
“Ja”, bestätigt Braun mit zunehmender Ungeduld.
“Hat er etwas
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