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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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nähert, läuft mir ein Schauer über den Rücken.
    “Ist Ihnen kalt?”, fragt er, da er offenbar mein Frösteln bemerkt hat.
    “N-nein, Herr Kommandant”, stammele ich und verfluche meine Nervosität. Ich muss mir mehr Mühe geben, sie mir nicht anmerken zu lassen.
    “Ah, gut.” Er setzt sich in den Sessel mir gegenüber. Als er sich zu mir vorbeugt, bemerke ich plötzlich an seinem Revers einen Anstecker mit Hakenkreuz. Trug er den beim letzten Mal auch schon? Es war mir nicht aufgefallen. Allerdings habe ich zu dem Zeitpunkt auch noch nicht gewusst, was Sachsenhausen ist. “Anna”, fährt er fort. “Ich bin direkt dem Generalgouverneur unterstellt. Ludwig hatte gar nicht so unrecht mit dem, was er auf der Abendgesellschaft sagte: Es ist tatsächlich meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass jeder Befehl des Gouverneurs ausgeführt wird. Absolut jeder Befehl.” Er hebt dabei die Augenbrauen an, als wolle er so seine Worte unterstreichen. “Viele Männer würden diesen Posten nur allzu gern innehaben.” Er steht auf und geht vor mir unruhig auf und ab. “Das Generalgouvernement ist voller falscher Schlangen, die zwar beteuern, nur dem Reich zu dienen, mir aber am liebsten ein Messer in den Rücken jagen würden, während sie mir noch die Hand schütteln.” Er senkt seine Stimme ein wenig. “Daher benötige ich eine Assistentin, die verschwiegen, intelligent und vor allem loyal ist. Sie sind nicht nur meine Assistentin, sondern Sie halten für mich auch Augen und Ohren offen.” Er hält inne und bleibt abermals vor mir stehen, um mir tief in die Augen zu sehen. “Verstehen Sie das?”
    “J-ja, Herr Kommandant”, bringe ich über die Lippen, gleichzeitig wundere ich mich darüber, dass er mich für loyal hält.
    “Gut. Ich habe Sie nicht nur ausgewählt, weil Sie außergewöhnlich klug sind und Deutsch sprechen, sondern weil ich fühle, daß ich Ihnen vertrauen kann.”
    “Danke, Herr Kommandant.” Er vertraut mir. Fast wird mir übel.
    Wieder geht er vor mir auf und ab. “Jeden Morgen werden wir uns zusammensetzen und meinen Terminplan durchsehen. Sie bekommen dann die Aufgaben übertragen, die Sie bitte noch am gleichen Tag erledigen. Für den Augenblick genügt es, wenn Sie sich einen Überblick über die bisherige Korrespondenz verschaffen. Ich hatte seit über einem Monat keine Assistentin mehr, und ich wollte nicht, dass jemand anders diese Arbeiten erledigt.” Mir kommt die Frage in den Sinn, was wohl mit meiner Vorgängerin geschehen sein mag. “Wie Sie von Oberst Diedrichsen gehört haben, werden Sie keine Post öffnen, die als vertraulich gekennzeichnet ist. Klar?” Wieder nicke ich. “Gut. Sie haben die höchste Stufe der Zugangsberechtigung, die eine Polin bekommen kann. Trotzdem gibt es ein paar Dinge, die auch für Sie tabu sind.” Innerlich bin ich entmutigt. Gerade vertrauliche Briefe enthalten doch die für uns so wichtigen Informationen.
    “Ich werde Oberst Diedrichsen bitten, heute Vormittag noch einmal herzukommen. Von ihm bekommen Sie alles, was Sie brauchen, und er kann Ihnen während meiner Abwesenheit auch alles Notwendige erklären.” Der Kommandant geht zurück zum Schreibtisch, und nach ein paar Sekunden wird mir klar, dass das Gespräch beendet ist. Ich stehe auf und will gehen, da ruft er mir “Anna” nach. An der Tür stehend sehe ich zu ihm. Er blickt mich eindringlich und völlig ernst an. “Meine Tür steht Ihnen immer offen.”
    “Vielen Dank, Herr Kommandant.” Ich ziehe mich ins Vorzimmer zurück und sinke zitternd auf meinen Stuhl.
    Nach dem Gespräch mit dem Kommandanten geht mein erster Arbeitstag schnell vorüber. Die Zeit bis Mittag verbringe ich damit, die Eingangspost zu öffnen, dann kommt Oberst Diedrichsen und macht mit mir einen Rundgang durch die anderen Büros, um mich dem Personal vorzustellen. An der Art, wie die Mitarbeiter mich mustern, erkenne ich, dass meine Einstellung als Assistentin des Kommandanten großes Interesse geweckt hat. Schließlich bringt mich der Oberst noch in die Sicherheitsabteilung, wo ich meinen Dienstausweis erhalte. Auf dem Rückweg zum Büro des Kommandanten gehen wir an einer anderen massiven Eichentür vorbei, auf der ein Messingsiegel prangt.
    “Das Büro des Gouverneurs”, sagt Diedrichsen mit ernster Miene und geht weiter. Seine Stimme klingt fast ehrfürchtig.
    Den Nachmittag verbringe ich damit, die Aktenschränke neu zu sortieren. Die Akten sind völlig durcheinander abgelegt worden, was es fast

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