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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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saftigsten”, sagt sie laut genug, damit der Verkäufer sie hört.
    Einen Moment lang stutze ich. Die Stimme ist mir vertraut, doch ich kann sie nicht zuordnen. Mir ist klar, dass ich auf die Bemerkung eingehen soll. “Ja, aber die hellen sind dafür süßer.”
    “Mitkommen”, flüstert die Fremde mir leise zu. Erst als wir uns ein Stück weit von dem Stand entfernt haben, sehe ich sie mir genauer an. Marta! Dabei erkenne ich sie nur an ihrer dicken Brille und ihren strahlenden Augen. Ihr dunkles Haar ist geglättet und aufgehellt worden, und die blaue Bluse und das Kopftuch lassen sie wie eine polnische Bäuerin erscheinen. Außerdem wirkt sie viel reifer, da ihre pummelige mädchenhafte Figur den schlanken Kurven einer jungen Frau gewichen ist. Seit unserer letzten Begegnung vor einigen Monaten hat sie sich sehr verändert.
    “Marta, was machst du …?”
    “Schhht!” Anstatt zu antworten, fasst sie spielerisch meine Hand, als wären wir zwei kleine Mädchen, die einen Spaziergang unternehmen. “Komm mit”, flüstert sie.
    Während ich ihr folge, überschlagen sich meine Gedanken. Seit meiner Flucht aus dem Ghetto habe ich Marta nicht mehr gesehen, und es gibt unzählige Fragen, die ich ihr stellen möchte. Wie ist sie aus dem Ghetto gekommen? Wie hat sie mich gefunden? Ich beiße mir auf die Zunge, da ich weiß, wie gefährlich es ist, sich auf offener Straße zu unterhalten. “Wie bist du …?”, flüstere ich ihr schließlich zu, da ich es nicht länger aushalte.
    “Halt den Kopf gerade”, wispert sie mir lächelnd zu, woraufhin mir bewusst wird, dass ich den Kopf in ihre Richtung gesenkt halte, eine verschwörerisch wirkende Geste, die uns leicht verraten könnte. “Ich bin mit meinem Botenausweis rausgekommen, kurz bevor sie das Ghetto hermetisch abgeriegelt haben”, erwidert sie mit einer etwas tieferen Stimme als üblich. “Viele von uns leben jetzt außerhalb von Kraków in den Wäldern und Dörfern.”
    Ich möchte sie so gern nach Jakub fragen. Vielleicht hat sie ihn gesehen oder durch die Widerstandsbewegung etwas über ihn erfahren können. Aber ich habe ihr nie erzählt, dass ich verheiratet bin. “Wohin gehen wir?”, frage ich stattdessen.
    “Alek will dich sehen.” Alek. Mir stockt der Atem. Womöglich kann er mir etwas über Jakub berichten. Ich folge Marta und erwarte, dass wir uns in Richtung Ghetto bewegen, vielleicht zu einem scheinbar leer stehenden Haus oder einer verborgenen Gasse oder zu einem Treffpunkt außerhalb der Stadt. Doch sie geht zielstrebig auf den Marktplatz zu. Es ist ein milder Sommerabend, und in den Cafés rings um den Platz wimmelt es von Deutschen und Polen, die nach der Arbeit ausspannen wollen.
    “Hier?”, frage ich ungläubig, als sie mich zu einem überlaufenen Café führt.
    “Gäbe es einen besseren Ort?”, erwidert sie, und ich sehe ein, wie recht sie damit hat. Es ist so wie mit meiner Anstellung im Nazi-Hauptquartier – niemand würde vermuten, eine Gruppe Juden könnte die Kühnheit besitzen, sich am helllichten Tag auf der Terrasse eines Cafés zu treffen.
    Zunächst zögere ich noch, doch dann stelle ich fest, dass niemand von mir Notiz nimmt, als ich Marta zwischen den Tischen hindurch folge. Im hinteren Teil des Cafés sitzen zwei Männer, die ich erst beim Näherkommen als Alek und Marek erkenne. Alek trägt seine Haare so kurz geschnitten, dass stellenweise die helle Kopfhaut durchschimmert. Marek hat sich den Bart abrasiert und sieht nun wie ein Schuljunge aus. Beide stehen sie auf, als wir näher kommen, dann küssen wir uns dreimal auf die Wangen, als sei dies ein ganz normales Treffen unter Freunden.
    “Hallo, Anna”, begrüßt mich Alek, als wir uns setzen. Mir entgeht nicht, dass er mein Pseudonym benutzt. Ich versuche, meine Aufregung zu bändigen, obwohl mir tausend Fragen auf der Zunge liegen. Wie hat er meine Flucht arrangiert? Hat er von Jakub gehört?
    Eine Kellnerin kommt an den Tisch, Alek bestellt für uns alle Tee. “Was macht die Arbeit?”, fragt er, nachdem die Frau gegangen ist.
    “G-ganz gut”, stammele ich, da mich die beiläufige Art seiner Frage überrumpelt.
    “Letzten Dienstag bin ich übrigens deinem Onkel aus Lwów begegnet”, sagt er. Verwundert will ich erwidern, dass ich keinen Onkel in Lwów habe, doch dann verstehe ich, dass er Jakub meint.
    “Geht es ihm gut?”, frage ich, während mein Herz einen Satz macht.
    “Sehr gut”, antwortet er, woraufhin ich mich ein wenig beruhige. “Seine

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