Der kommende Aufstand
aufrechtzuerhalten, bis dahin, die
Arbeitsniederlegung auf ihre rein symbolische Dimension zu
reduzieren – kaum schädigender als ein Schneetreiben oder ein
Selbstmord auf Bahngleisen. Aber indem sie die etablierten
aktivistischen Praktiken durch die systematische Besetzung von
öffentlichen Einrichtungen und hartnäckige Blockaden umstürzten,
haben die Kämpfe der Schüler von 2005 und die gegen den CPE an
die Fähigkeit der großen Bewegungen erinnert, Schaden
anzurichten und diffus offensiv zu sein. Durch all die Banden,
die sie in ihremGefolge hervorriefen, haben
sie erkennen lassen, unter welchen Bedingungen aus Bewegungen
die Entstehungsorte neuer Kommunen werden können.
Jede Repräsentationsinstanz sabotieren
Das Palaver verallgemeinern
Die Vollversammlungen abschaffen
Jede soziale Bewegung trifft als erstes
Hindernis – lange vor der eigentlichen Polizei – auf die
gewerkschaftlichen Kräfte und diese ganze Mikrobürokratie, deren
Berufung es ist, die Kämpfe einzugrenzen. Die Kommunen, die
Basisgruppen, die Banden misstrauen ihnen spontan. Das ist der
Grund, warum die Para-Bürokraten vor zwanzig Jahren die
Koordination erfunden haben, die harmloser wirkt, weil sie kein
Etikett hat, aber nichtsdestoweniger das ideale Terrain für ihre
Manöver bleibt. Wenn ein verirrtes Kollektiv sich in der
Autonomie ausprobiert, werden sie also keine Ruhe geben, es
jeden Inhalts zu entleeren, indem sie resolut alle guten Fragen
aus ihm beseitigen. Sie sind erbittert, sie erhitzen sich; nicht
aus Leidenschaft an Debatten, sondern weil sie sich berufen
fühlen, sie zu verhindern. Und wenn ihre verbissene Verteidigung
der Apathie endlich das Kollektiv zunichte gemacht hat, erklären
sie sein Scheitern mit dem Mangel an politischem
Bewusstsein. Man muss dazu sagen, dass in Frankreich – vor allem
dank der tollwütigen Aktivität der verschiedenen trotzkistischen
Kapellen – die Kunst der politischen Manipulation nicht das ist,
was der aktivistischen Jugend fehlt. Sie hat nicht verstanden,
aus dem Brand von November 2005 folgende Lehre zu ziehen: Jede
Koordination ist dort unnötig, wo die Koordinierung
stattfindet, die Organisationen sind dort immer überflüssig, wo
man sich organisiert.
Ein anderer Reflex ist, bei der geringsten
Bewegung eine Vollversammlung zu machen und abzustimmen. Das ist
ein Fehler. Allein das, was bei der Abstimmung, bei dem Kampf um
Entscheidungen auf dem Spiel steht, reicht aus, die Versammlung
in einen Albtraum zu verwandeln und aus ihr das Theater zu
machen, in dem alle Machtansprüche aufeinandertreffen. Wir
ertragen dort das schlechte Beispiel der bürgerlichen
Parlamente. Die Versammlung ist nicht für Entscheidungen
gemacht, sondern für das Palaver, für die sich ziellos
entfaltende freie Rede.
Das Bedürfnis, sich zu versammeln, ist bei den Menschen
ebenso konstant, wie die Notwendigkeit zu entscheiden selten
ist. Sich zu versammeln, entspricht der Freude, eine gemeinsame
Stärke zu verspüren. Entscheiden ist nur in den Notsituationen
lebensnotwendig, in denen die Ausübung der Demokratie sowieso
gefährdet ist. Für den Rest der Zeit ist der »demokratische
Charakter des Beschlussfassungsprozesses« nur für die Fanatiker
der Prozedur das Problem. Es geht nicht darum, die Versammlungen
zu kritisieren oder ihnen zu entfliehen, sondern darum, dort das
Wort, die Gesten und die Spiele unter den Menschen zu
befreien. Es genügt zu sehen, dass jeder Einzelne nicht nur mit
einer Meinung, einem Antrag dort hinkommt, sondern mit
Bedürfnissen, Verbundenheiten, Fähigkeiten, Stärken, Traurigkeit
und einer gewissen Bereitschaft. Wenn man es so schafft, diese
Wahnvorstellung der Vollversammlung zugunsten einer
solchen Versammlung der Präsenzen zu zerreißen, wenn man
es schafft, die immer wieder aufkommende Versuchung zur
Hegemonie zu vereiteln, wenn man aufhört, sich auf die
Entscheidung als Zweck zu fixieren, gibt es einige Chancen für
dieses Ereignis, wo Massen ergriffen werden, eines dieser
Phänomene der kollektiven Kristallisation, wo ein Beschluss die
Menschen in ihrer Gesamtheit oder nur zum Teil erfasst.
Dies gilt auch für das Entscheiden über
Aktionen. Vom Prinzip auszugehen, dass »die Aktion den Ablauf
einer Versammlung bestimmen soll«, bedeutet, das Aufwallen der
Debatte ebenso wie die effiziente Aktion unmöglich zu
machen.
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