Der Kommissar und das Schweigen - Roman
mit einem Video von den Nachrichten und ein paar Zeitungen getan sein ... Ich meine, damit sie uns glauben.«
»Haben wir ein Video von den Nachrichten?«, fragte Jung.
Kluuge schüttelte mit unglücklicher Miene den Kopf.
»Das lässt sich sicher arrangieren, aber ich nehme an, dass es eine Weile dauert.«
»Ach, scheiß drauf«, sagte Reinhart. »Ein Radio wird’s wohl auch tun, die erzählen das ja auch zehnmal in der Stunde. Wir werden ihnen schon klar machen, dass der Fürst des Lichts tot ist.«
»Der Fürst des Lichts«, wiederholte Suijderbeck. »Verdammte Scheiße.«
»Wartet mal«, sagte Servinus. »Vielleicht wissen sie es ja schon?«
»Sie sind isoliert«, sagte Kluuge. »Ich habe Schenck angerufen und ihm diesbezüglich strenge Order erteilt, bevor wir heute Vormittag rausgefahren sind.«
»Gut«, sagte Reinhard.
»Wer ist Schenck?«, fragte Servinus.
»Er löst Matthorst ab und zu ab«, erklärte Kluuge. »Das ist sicher nötig, Matthorst hat schon behauptet, er fühle sich dort so langsam etwas merkwürdig.«
»Kann ich mir vorstellen«, nickte Tolltse. »Schließlich sitzt er da draußen schon genauso lange wie die Frauen.«
»Es gibt welche, die sitzen da seit fünfzehn Jahren«, erinnerte Suijderbeck sie.
»Auf jeden Fall ...«, sagte Lauremaa. »Ich meine, wenn diese drei Damen etwas von Jellineks Tod wissen, dann würde das doch bedeuten, dass sie es schon die ganze Zeit wussten, oder?«
»Genau«, sagte Reinhart. »Und dann gnade ihnen Gott. Nein, komm jetzt, Herr Inspektor, wir fahren.«
»Lasst uns ein paar Brötchen übrig«, sagte Jung und stand auf.
»Hat denn keiner etwas von dem Hauptkommissar gehört?«, wollte Lauremaa wissen, nachdem Reinhart und Jung aufgebrochen waren.
»Nicht die Bohne«, sagte Suijderbeck. »Ich muss sagen, anfangs hatte ich noch Vertrauen zu ihm, aber jetzt scheint er mir ein ganz gewöhnlicher Deserteur zu sein. Was treibt er nur?«
»Keine Ahnung«, seufzte Kluuge. »Jedenfalls müssen wir versuchen weiterzukommen. Es wäre jedenfalls nicht schlecht, wenn wir auf der Pressekonferenz morgen eine bessere Figur machen würden.«
»Ich werde mir Mühe geben«, sagte Suijderbeck.
»Dieser Vorschlag lag mir auch schon auf der Zunge«, sagte Lauremaa und lächelte zum ersten Mal an diesem langen Tag.
35
Van Veeteren traf Marie-Louise Schwartz in einem Reihenhaus am südlichen Rand von Stamberg. Der Besuch dauerte eine Stunde, und fünfzig Minuten davon verbrachte er versunken in einem Kretonne-Sessel, während er seine weinende Gastgeberin betrachtete, die in einem anderen Kretonne-Sessel saß.
Ab und zu gelang es ihr, sich ein wenig zu sammeln, aber sobald er eine Frage stellte, brach sie erneut zusammen. Mit der Zeit wurde er es leid, überhaupt einen Versuch zu wagen, saß einfach nur da und ließ ihre Verzweiflung für sich sprechen.
Vielleicht war das ja überhaupt der Sinn, dachte er, und als er sie verließ, ergriff sie seine beiden Hände und schaute ihn mit tränennassen Augen an. Als ob er nun wirklich etwas ausgerichtet hätte – seine große Wärme und Mitmenschlichkeit unter Beweis gestellt hätte oder etwas in der Art. Vielleicht hatte sie auch gar nicht mitbekommen, dass er von der Polizei war. Jedenfalls gelang es ihr, ihm mitzuteilen, dass sie äußerst dankbar für sein Kommen war und dass sie jetzt ins Schlafzimmer im ersten Stock gehen würde, um nach ihrem Mann zu sehen, der nur schwer mit seiner Trauer fertig wurde.
Mein Gott, dachte Van Veeteren.
Er verabschiedete sich, ging hinaus, setzte sich in seinen Wagen und fuhr anschließend eine halbe Stunde lang aufs Geratewohl herum, begleitet von Pergolesi und Händel. Als er dann wieder hinter Glossmann’s parkte, um seine Tasche zu holen,
stellte er noch kurz das Autoradio an, um mitzubekommen, dass Oscar Jellinek ermordet in Waldingen aufgefunden worden war.
Für einen kurzen Moment konnte er nicht sagen, ob er wachte oder träumte.
Dann sah er ein, dass das auch keine Rolle spielte.
Der nächste Termin war für neunzehn Uhr abends vereinbart worden (zu dieser Zeit müsste es passen, vorher musste das Kind abgeholt und in den Zug gesetzt und der Klavierstimmer eingewiesen werden), und so verbrachte er den ganzen Nachmittag damit, in verschiedenen Cafés herumzusitzen, im Klimke herumzublättern sowie die Fernseh- und Rundfunksendungen zu verfolgen. Schließlich tauchten auch die ersten Abendzeitungen auf, und das machte wie üblich die Sache nicht
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