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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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besser.
    Einige Male rief er im Polizeirevier von Sorbinowo an, erfuhr aber von Frau Miller nur, dass alle anderen sich draußen im Wald befanden, und verzichtete darauf, eine Nachricht zu hinterlassen.
    Er hatte ja doch nichts mitzuteilen.
    Abgesehen von einer Ahnung, die er noch nicht bestätigt bekommen hatte. Und die mit den letzten Entwicklungen nicht übereinstimmte.
    Mit dem Mord an Oscar Jellinek. Oder doch?
    Auch gut, sie in aller Ruhe arbeiten zu lassen, dachte er.
    Auch gut, im Hintergrund zu bleiben und die anderen übernehmen zu lassen. War es nicht das, wozu er sich bereits entschieden hatte?
     
    Sie wartete wie verabredet im Café auf ihn, und er wunderte sich noch einmal, warum sie ihn lieber hier als daheim hatte treffen wollen.
    Um ihr Privatleben zu schützen? dachte er und ließ sich ihr gegenüber nieder. Um etwas Heiliges zu bewahren? Was ja verständlich wäre.

    Er stellte sich vor, und sie streckte ihm nervös eine Hand über den Tisch hinweg entgegen.
    »Jaha«, sagte sie. »Es tut mir Leid, dass ich nicht eher kommen konnte. Es ist ja einiges passiert heute.«
    Er nickte und grub einen Zahnstocher aus. Es stimmt, dachte er plötzlich. Ich sehe es ihr an. Woher zum Teufel konnte ich das wissen?
    »Sie können sich denken, worüber ich mit Ihnen sprechen möchte?«
    Das war ein plumper Versuch, aber er hatte sich schon vorher für diese Spieleröffnung entschieden. Eigentlich gab es auch gar keine anderen Wege. Keine alternativen Züge.
    Sie zögerte eine Weile.
    »Ich denke schon ...«
    Ihm war klar, dass es keinen Sinn haben würde, sie zu drängen. Wichtiger war es, ihr Zeit zu lassen, damit sie die Dinge in der Reihenfolge von sich geben konnte, die für sie am natürlichsten war. Oder am wenigsten unangenehm.
    »Wir waren acht Jahre zusammen, als ich es entdeckt habe«, fing sie an. »Acht Jahre ... fünf davon verheiratet.«
    »So was kann sich auch entwickeln«, schlug er vor. »Das muss nicht schon die ganze Zeit da gewesen sein.«
    Sie nickte.
    »Ich habe versucht, das auch so zu sehen, aber ich weiß nicht, ob das ein Trost ist ... es ist so ... ja, so schrecklich unbegreiflich. Es ist einfach nicht zu verstehen, zu diesem Schluss komme ich immer wieder. Ich werde es nicht los. Auch wenn ich dachte, es wäre das Beste, alles zu vergessen und hinter mir zu lassen ... aber jetzt weiß ich natürlich, dass das falsch war.«
    Sie machte eine Pause und suchte etwas in ihrer Handtasche. Ein Kellner tauchte auf, und Van Veeteren bestellte ohne viel zu fragen für beide Kaffee und Cognac.
    »Erzählen Sie«, bat er, nachdem sie sich ihre Zigarette angezündet hatte.
    Sie kratzte mit ihrem Zeigefingernagel über einen Kerzenwachsfleck
auf der Tischdecke und blinzelte einige Male mit den Wimpern. Der Hauptkommissar merkte, dass er den Atem anhielt, als wäre es seine Anwesenheit selbst, die diese alten schrecklichen Erinnerungen ausgrub, oder als ob es darum ginge, seinen Einfluss so minimal wie möglich zu halten.
    »Er ging einfach zu weit«, sagte sie. »Und was ich mir selbst nicht verzeihe, ist, dass ich es so lange Zeit hingenommen habe, statt bei den ersten Anzeichen sofort zu reagieren. Über sechs Monate ... Ich konnte ganz einfach nicht glauben, dass es wahr sein sollte. Das ist etwas, über das man liest und ... nun ja, Sie wissen, was ich meine.«
    Van Veeteren nickte.
    »In der Badewanne bin ich ihm auf die Schliche gekommen. Judith war erst fünf, aber schon groß genug, um zu begreifen, worum es ging ... und um Angst zu bekommen. Das Unbegreiflichste dabei war, dass er so schamlos war.«
    »Hat er es zugegeben?«
    Sie nahm einen Zug und schnupperte an dem Cognac, bevor sie antwortete.
    »Nein«, sagte sie. »Oder eigentlich ja und nein. Er tat so, als würde er gar nicht verstehen, wovon ich redete ... andererseits war er sofort damit einverstanden, dass wir uns trennten. Er ist ausgezogen ... ich habe ihn gezwungen, noch am gleichen Tag auszuziehen.«
    »Sie sehen ihn nicht mehr?«
    »Nein. Nachdem ich den Schock überwunden hatte, habe ich mir natürlich einen Anwalt genommen. Habe mich auf einen Kampf eingestellt, aber dazu kam es nie. Er hat alles aufgegeben und uns ohne ein Wort verlassen ... was ich als eine Art Schuldeingeständnis ansehe.«
    Es entstand eine Pause. Van Veeteren brach seinen Zahnstocher ab und nahm stattdessen eine Zigarette.
    »Wie weit ist er gegangen?«, fragte er.
    »Sehr weit«, sagte sie nur.
    »Haben Sie sie untersuchen lassen?«
    Sie

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