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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Kognitiven. Eine Art ... ja, wie soll man es nennen? Avantgarde des Wissens vielleicht?«
    »Hm«, brummte Van Veeteren. »Eine Kette, die hält, obwohl mehrere Glieder fehlen. Ich möchte den Staatsanwalt sehen, der das gelten lässt. Aber im Prinzip hast du Recht. Natürlich glaube ich verflucht noch mal an die Intuition.«
    »Und wie schaut das Bild aus, das du vom Waldingenlager hast?«, fragte Przebuda und zündete seine Pfeife an, die immer wieder ausging.
    Der Hauptkommissar seufzte.
    »Ich weiß nicht«, gab er zu. »Du kannst mich verfluchen, aber ich kann dir nicht sagen, was ich eigentlich glaube. Das sind ja reichlich debile Gestalten, mit denen wir es hier zu tun haben, und das überdeckt irgendwie die Sachfrage an sich und steht ihr im Weg. Vielleicht wäre irgendeine Form des Eingreifens so oder so berechtigt; wer weiß, was sie diesen armen Mädchen da eintrichtern ... aber trotzdem bedeutet das noch nicht, dass sie eine davon umgebracht haben. Ich kann nicht
einmal behaupten, dass ich irgendwelche Hinweise dahingehend gefunden habe, wonach eine verschwunden sein soll.«
    Przebuda war immer noch mit seiner Pfeife beschäftigt.
    ». . . abgesehen von einer leisen Ahnung.«
    Der Hauptkommissar lehnte sich zurück und verschränkte die Hände im Nacken. Er ließ den Blick über die mit Büchern vollgestellten Wände gleiten und hatte plötzlich die Vision, sich inmitten einer Enzyklopädie zu befinden. Przebudas Interessenfeld schien alles von der Konjunkturentwicklung der Stahlindustrie in den Achtzigern über die Fischereiquoten im Nordischen Eismeer bis zur Kulturanthropologie und provençalischen Liebeslyrik zu umfassen. Offenbar ein Zeitungsmann der alten Schule, ein unbestechlicher Schreiber, der – soweit es seine Zeit erlaubte – in der Lage war, zu welchem Themenbereich auch immer einen Artikel zu verfassen. Obwohl er das Bild zu verdrängen versuchte, musste Van Veeteren sich eingestehen, dass der abendliche Rahmen auch noch eine andere Assoziation in ihm wachrief. Die des klassischen Detektivhelden – der lautere Kriminalbeamte, der alle Fakten in seinem zermarterten Kopf sammelt und später den Fall löst, während er mit einer Pfeife im Ohrensessel in seiner Bibliothek sitzt ...
    Aber hier war es Przebuda, der die Pfeife rauchte. Er selbst bevorzugte Zigaretten.
    Dann sollte es vielleicht eher sein Gastgeber sein, der die Lösung hatte, und nicht er selbst.
    Das heißt, wenn überhaupt nach einer Lösung gefragt wurde.
    Vielleicht gab es ja, wenn man alles bedachte, gar keine Gleichung zu lösen, hatte er sich nicht bereits für diesen Schluss entschieden? Kein verschwundenes Mädchen und kein eigentlicher Fall. Wie auch immer, dieses Zimmer hatte etwas an sich. Das Einzige, was noch fehlte, war natürlich ein Schachbrett, aber Przebuda hatte bereits gestanden, dass dieser Zeitvertreib nie sein Interesse hatte wecken können.
    Was zweifellos das Spiel noch einzigartiger macht, als es bereits
ist, dachte Van Veeteren. Aber: Zeitvertreib! Das war ja schon fast eine Lästerung.
    »Ich habe natürlich ein paar Notizen«, erklärte Przebuda nach einigen Sekunden Schweigen. »Ich meine, wenn es dich interessiert. Ich hatte im letzten Sommer die Idee, ich sollte eine halbe Seite darüber schreiben, als sie letztes Mal hier waren. Das Reine Leben ... der Hintergedanke dabei war wohl, der Sekte selbst auf den Pelz zu rücken, wenn man so will. Nicht dem Lager in erster Linie ... ich habe jedenfalls den Hirten interviewt und ein paar Fotos gemacht, aber dann habe ich mich doch dafür entschieden, das Projekt erst mal auf Eis zu legen.«
    »Warum?«
    Przebuda zuckte mit den Achseln.
    »Kann ich nicht genau sagen. Einige Jobs lässt man eben fallen, das ist einfach so. Ich glaube, es hatte etwas mit dem Image zu tun, ehrlich gesagt, es war mir etwas zuwider. Ich nehme an, du verstehst, was ich damit meine ...«
    Van Veeteren nickte.
    ». . . dieser Jellinek und seine vier Weiber.«
    »Vier?«
    »Ja natürlich. Es waren vier Frauen, die sich um alles da draußen im Wald kümmerten. Um einiges jünger als er selbst. Nun ja, ich bekam einfach kalte Füße, oder wie immer man es ausdrücken will. Ich hatte keine Lust, für solche Figuren auch noch kostenlose Reklame zu machen. Ist er dieses Jahr nicht mehr vom gleichen Harem umgeben?«
    »Drei«, sagte Van Veeteren. »Nur noch drei.«
    Przebuda lachte auf.
    »Na ja«, sagte er. »Vielleicht lässt seine Kraft ja nach. Wenn sie diese muslimischen

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