Der Kommissar und das Schweigen - Roman
Rembork und hatten neben den Technikern noch zwei Kriminalbeamte mitgebracht. Im dritten Auto saß – was Van Veeteren erkannte, als er herantrat und hineinschaute – ein junger Mann mit Bart, Brille und einem Handy in voller Aktion. Der Hauptkommissar schob seine Hand durch das offene Fenster und befreite ihn mit einem kurzen Ruck von dem Apparat.
»Was zum Teufel ...?«
»Van Veeteren, Kriminalhauptkommissar. Sie legen unsere Ermittlungen lahm. Für wen schreiben Sie?«
»Die Allgemejne.«
»All right. Wenn Sie sich eine Stunde lang ruhig verhalten, dann verspreche ich Ihnen, Ihnen dafür korrekte Informationen zu liefern.«
Der junge Reporter zögerte.
»Woher weiß ich, dass Sie mich nicht anschmieren?«
»Ich schmiere niemals jemanden an«, erklärte Van Veeteren. »Fragen Sie Ihren Chefredakteur, der kennt mich.«
Kluuge tauchte aus der Dunkelheit auf.
»Sie liegt da oben«, erklärte er und zeigte den Weg entlang.
»Einer von denen aus Rembork ist bei ihr und sieht sie sich an ... und dann natürlich die von der Spurensicherung. Sie ist ... sie ist jedenfalls erwürgt und vergewaltigt worden, so viel ist schon klar.«
»Wie lange seid ihr schon da?«, fragte der Hauptkommissar.
Kluuge schaute auf die Uhr.
»Knapp eine halbe Stunde. Ich habe sie ungefähr zwanzig nach elf gefunden.«
Van Veeteren nickte zum Ferienlager hinüber. Im großen Haus brannte in einigen Fenstern Licht, während die Flügelgebäude im Dunkel lagen.
»Und wie steht es mit denen da drinnen?«
»Ich weiß nicht so recht«, sagte Kluuge. »Der zweite Beamte ist dort, aber ich habe noch nicht nachfragen können. Soll ich dich zum ... zum Fundort bringen?«
Van Veeteren zündete sich eine Zigarette an.
»Lass nur. Die sollen erst mal in Ruhe ihre Arbeit tun. Ich glaube, ich würde mir vorher lieber die Lage bei dem Verein ansehen. Wenn du im Wagen wartest, kannst du mir die Stelle später zeigen ...«
Kluuge nickte und öffnete die Autotür. Der Hauptkommissar setzte sich in Bewegung, hielt dann aber inne.
»Wie geht es dir?«, fragte er.
»Es geht«, sagte Kluuge.
»Ich weiß, wie du dich fühlst. Bleib im Auto, und halt dich warm. Ich werde sehen, ob ich einen Kaffee für dich organisieren kann.«
Er verließ den Polizeianwärter und die Autos und machte sich auf den Weg auf die Häuser zu. Stolperte ein paar Mal über Wurzeln und wäre fast hingefallen, kam aber schließlich trotzdem mit heiler Haut auf der Terrasse an. Er klopfte an eines der erleuchteten Fenster und wurde von einer mürrischen Schwester Madeleine hereingelassen, die mit einem großen, unförmigen Bademantel von gewohnter Qualität bekleidet war. Sie würdigte ihn weder eines Blickes noch eines Wortes, eskortierte ihn nur wortlos und barfuß zu einem kleinen Zimmer, das allem Anschein nach als Büro diente. Papiere, ein paar Ordner und ein Stapel Bibeln lagen auf einem Schreibtisch verstreut. Ihre Mitschwestern saßen in ähnlichen Bademänteln wartend auf ihren Stühlen, und vor dem Fenster stand der zweite Polizeibeamte aus Rembork. Es war ganz offensichtlich, dass er dabei war, die drei Frauen zu verhören.
Es war auch ganz offensichtlich, dass er damit nicht weiterkam.
Van Veeteren schaute sich in dem erbärmlichen Zimmer um. Dann bat er seinen Kollegen um ein kurzes Einzelgespräch und zog ihn mit sich auf den Flur hinaus.
»Wie heißt du noch?«
»Servinus. Ich bin Kriminalinspektor.«
»Van Veeteren«, sagte der Hauptkommissar. »Lass uns ein bisschen leiser reden, die da drinnen brauchen nicht alles zu hören.«
Er deutete zu der geschlossenen Tür. Servinus nickte. »Wie lange hast du sie schon in der Mache?«
Servinus schaute auf die Uhr.
»Na, ob man das in der Mache haben nennen kann. Höchstens fünf Minuten, sie haben ja geschlafen, deshalb dauerte es eine Weile ... obwohl ich glaube, dass wir hier ein kleines Problem haben.«
»Ach ja«, sagte Van Veeteren. »Was für ein Problem?«
»Sie schweigen.«
»Was meinst du damit?«
Servinus kratzte sich irritiert am Nacken.
»Nun ja, es sieht so aus, als hätten sie beschlossen, nicht mit uns zusammenzuarbeiten.«
»Was zum Teufel ...?«
»Ja, genau. Sie antworten einfach auf keine Frage. Hast du eine Ahnung, was für ein Ort das hier ist, ich meine, eigentlich. . . die wirken ein wenig, ja, wie soll ich sagen ...«
»Ich weiß«, unterbrach ihn der Kommissar. »Aber das besprechen wir ein andermal. Wo ist Jellinek, das ist doch im Augenblick das
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