Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
Vom Netzwerk:
schließlich auf. Keine Antwort weit und breit. Auch keine unerwarteten Assoziationen stellten sich ein.
    Zum Zweiten: Vier Tage später lässt die gleiche Frau wieder von sich hören. Gibt detaillierte Angaben darüber, wo ein ermordetes Mädchen zu finden ist. Anwärter Kluuge folgt ihren Anweisungen und findet die arme Clarissa Heerenmacht, knapp dreizehn Jahre alt, Teilnehmerin am Waldingenlager ... vergewaltigt, erwürgt, tot (Aber am Tag zuvor noch am Leben. Am Sonntagnachmittag. Er selbst hatte ihr gegenüber gesessen und sie nach Sitten und Gebräuchen bei der Sekte Das Reine Leben ausgefragt.).
    Schlussfolgerung eins: Wenn die anonyme Frau auch bei den ersten beiden Anrufen die Wahrheit gesagt hatte, konnte sie nicht Clarissa Heerenmacht gemeint haben.
    Schlussfolgerung zwei: Es erscheint nicht gänzlich unwahrscheinlich, dass es noch eine Mädchenleiche in den Wäldern um Waldingen gibt.
    Hol’s der Teufel, dachte der Hauptkommissar und nahm sich eine Tomate. Das muss ich im Hinterkopf behalten. Weiter?
    Zum ... er rechnete nach ... Dritten: Oscar Jellinek – Prophet
und geistiger Hirte dieser Höllensekte – löst sich in Zusammenhang mit Clarissa Heerenmachts Tod in Rauch auf, nachdem er vorher seine gesamte Schafsherde, Mutterschafe wie Lämmer, zum Schweigen verdonnert hat. Schlussfolgerung?
    Schlussfolgerung? dachte Van Veeteren. Ja, welche denn, verdammt noch mal?
    Er schloss die Augen und versuchte sich ein weiteres Mal für alle Gedanken bereitzuhalten, die auftauchen könnten, aber das Einzige, was sich einstellte, war ein Fragezeichen.
    Aber schließlich immerhin noch zwei stark vereinfachte Alternativen.
    Nummer eins: Oscar Jellinek hatte Clarissa Heerenmacht vergewaltigt und ermordet (sowie eventuell noch eine weitere oder mehrere weitere seiner jungen Konfirmandinnen) und war dann geflohen, um der Gerechtigkeit zu entgehen.
    Nummer zwei: Jellinek hatte nichts mit dem Tod des Mädchens zu tun, hatte aber beschlossen, lieber unterzutauchen, statt sich den Verhören und Verdächtigungen auszusetzen, die natürlich unweigerlich in dieser Lage auf ihn zugekommen wären.
    Kommentar zu Nummer zwei: Jellinek ist ein feiger Stinkstiefel. Was übrigens ausgezeichnet zu seinen früheren Beobachtungen passte.
    Schlussfolgerung aus Nummer zwei: Dann musste Jellinek von dem Mord an Clarissa Heerenmacht gewusst haben, bevor die Polizei es erfahren hatte!
    Der Kommissar öffnete die Augen, schloss sie aber gleich wieder. Falsch, dachte er. Es genügte natürlich, wenn er wusste, dass sie verschwunden war.
    Obwohl diese ganzen Überlegungen bisher wie gesagt stark vereinfacht waren. Zart und zerbrechlich wie eine Seifenblase. Er seufzte. Beschloss dann, eine andere Spur zu verfolgen. Systematisch natürlich, aber vielleicht war es dennoch an der Zeit, etwas freier zu fantasieren.
    Aber bevor der Hauptkommissar sich dieser Tätigkeit widmen konnte, spürte er, dass er in kürzester Zeit vor einem ganz anderen Problem stehen würde:

    Wie? dachte er. Wie um alles in der Welt pinkelt man in einem Kanu? Verfluchtes Mineralwasser!
     
    Während des restlichen Tages – vor allem während seiner Rückfahrt – dachte Hauptkommissar Van Veeteren vor allem über die Frage der inneren Landschaft nach.
    Darüber, was sich hinter den ausdruckslosen Gesichtern dieser Frauen – Madeleine Zander, Ulriche Fischer und Mathilde Ubrecht – verbarg. Und was wohl hinter denen der verkniffenen Teenagermädchen zu finden war.
    Und darüber, wie lange sie es durchhalten würden.
    Am gestrigen Abend hatte er sowohl das Ferienlager als auch die Einrichtung des psychiatrischen Krankenhauses aufgesucht, in der die Frauen getrennt voneinander untergebracht waren. Er selbst hatte gar nicht erst versucht, die Mauer des Schweigens zu brechen, nur dabeigesessen und beobachtet, wie Kluuge und die Beamten aus Rembork versuchten, einen Durchbruch zu erreichen. Das lag nicht vollkommen im Bereich des Unmöglichen, aber es stimmte schon, was der Polizeianwärter bemerkt hatte – dass wahrscheinlich eines der Mädchen als Erste umfallen würde.
    Dennoch war es schwer, das Unästhetische der ganzen Situation zu verdrängen. Zumindest er selbst hatte Probleme damit. . . das Gefühl von schmutzigem und zweifelhaftem Handwerk war intensiv und nicht zu leugnen. Was die Mädchen betraf. Natürlich gehörte es zur Rolle der Polizei, sich ab und zu in die verschiedensten Dinge einzumischen, aber Minderjährige einem regelrechten Verhör

Weitere Kostenlose Bücher