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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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auszusetzen mit dem Ziel, sie dazu zu bringen, ein heiliges Versprechen zu brechen und sich mehr oder weniger von ihrem Glauben loszusagen, nun ja, das bedeutete schon, das Recht doch bis an seine Grenzen auszureizen.
    Angenommen, Jellinek war verrückt. Angenommen, Das Reine Leben vertrat obskure Lehren. Und dazu der Mord. Und trotzdem gab es eine innere Landschaft, die zu betreten man sich scheute, und wenn man es dennoch tat, brauchte man auf jeden Fall ein Sicherheitsnetz.

    Falls all diese verirrten Seelen erwachten. Denn irgendwann würden sie ja wohl erwachen?
    Vielleicht war das nicht zu Papier Gebrachte immer noch am besten, versuchte er sich selbst zu rechtfertigen.
    Mit den eingesperrten Frauen verhielt es sich natürlich etwas anders. Er hätte nichts dagegen, sie ein wenig zu zwicken, und es war nicht ausgeschlossen, dass er heute Abend die Möglichkeit dazu erhalten würde. Servinus und Suijderbeck hatten die Verhöre tagsüber übernommen, und je weniger Verschnaufpausen man den Frauen gestattete, umso besser.
    Ein noch verlockenderer Gedanke war es natürlich, Jellinek selbst Aug in Aug gegenüberzusitzen. Und diesmal unter vom Hauptkommissar bestimmten Bedingungen. Sozusagen mit Heimvorteil – an einem zerkratzten Pressspantisch in der dreckigsten und steinigsten Zelle, die überhaupt aufzutreiben war. Den Blick in ihn bohren und ihn mit harten Bandagen bearbeiten.
    Aber das war im Augenblick ja nicht möglich. Es stand kein Jellinek zur Verfügung. Es gab nur vierzehn mucksmäuschenstille Zeuginnen. Keine Lösung in Sicht. Keine Hinweise.
    Auf jeden Fall würde er sich dazu entschließen, in dieser inneren Landschaft herumzuwandern. Dabei würde er sicher einiges lernen.
    Der Mensch ist unergründlich, dachte er.
    Und deshalb können wir ihn verstehen, fügte er nach einigen Paddelschlägen hinzu.
     
    Als der Hauptkommissar elegant und geschickt am Steg unterhalb von Grimm’s Hotel anlegte, war er mehr als sieben Stunden fort gewesen, und was die Grundfragen betraf – Was? und Warum? – so war er im Großen und Ganzen auch in dieser Beziehung wieder an dem gleichen Punkt angelangt.
    Aber er hatte sich für eine gewisse Strategie entschieden. Oder eher für bestimmte Gespräche, mit Menschen, mit denen er gern einige Worte wechseln und denen er einige spezifische Fragen stellen wollte.

    Unter der Voraussetzung, dass es möglich war, sie zu dieser Jahreszeit zu erwischen. Das war ganz und gar nicht selbstverständlich.
    Der Jüngling mit den Bartstoppeln hatte inzwischen zu einem grünen Strampelanzug gewechselt, vielleicht war es auch ein ganz anderer Jüngling. Der Hauptkommissar kam trockenen Fußes an Land und erklärte sich mit Fahrzeug und der Route äußerst zufrieden. Anschließend ging er direkt hinauf in den Restaurantbereich und bestellte sich ein dunkles Bier.
    Ich will mich nicht um Jahrzehnte jünger fühlen als heute Morgen, dachte er und kaufte sich auch noch eine Packung West.
    Frau Wandermeijk – die Verlobte des jungen Herrn Grimm, wenn er es richtig verstanden hatte – brachte ihm nicht nur das Bier. Es gab außerdem eine Mitteilung von Kluuge. Sie war vor zehn Minuten hereingekommen und ließ verlauten, dass ein kleiner Durchbruch stattgefunden habe.
    Mehr war daraus nicht zu ersehen. Kluuge hatte offenbar gelernt, in seiner Korrespondenz ein wenig zurückhaltender zu sein, was natürlich – auch das – als ein Schritt in die richtige Richtung anzusehen war. Der Hauptkommissar stopfte das Fax in seine Gesäßtasche, beschloss aber, das Bier und eine Zigarette zu genießen, bevor er im Polizeirevier anrief.
    »Kluuge am Apparat.«
    »Ich bin’s«, erklärte der Hauptkommissar. »Also?«
    »Eins der Mädchen hat angefangen zu reden«, sagte Kluuge.
    »Ausgezeichnet«, sagte der Hauptkommissar. »Was sagt sie?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Kluuge. »Sie ist gerade mit Inspektorin Lauremaa auf dem Weg hierher.«
    »Ausgezeichnet«, sagte Van Veeteren. »Ich komme. Verpatzt das nicht.«

19
    Als Van Veeteren ins Zimmer des Polizeichefs trat, war der Transport aus Waldingen immer noch nicht eingetroffen. Kluuge saß in hellblauem Polohemd und mit braun gebrannten Armen hinter dem Schreibtisch, aber es entging dem Hauptkommissar nicht, dass er älter und müder aussah als noch vor kurzem.
    »Ein harter Tag?«, fragte er und ließ sich aufs Sofa fallen.
    Kluuge nickte.
    »Verdammter Zirkus da draußen«, erklärte er. »Diese Psychologinnen müssen wir uns bald mal

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