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Der Kontinent der Lügen

Der Kontinent der Lügen

Titel: Der Kontinent der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Und gut. Sie hat mir
ihren Schatz gegeben. Sie… tut mir leid.«
    »Sie war gut? Sie tut Ihnen leid?«
    Ich drehte mich um.
    Wie eine zum Untergang verurteilte Fregatte verschwand der
unermeßliche Buckel der Wurzel im schwarzen Wasser. Blasen
tanzten in dem Wirbel. Eine geschlagene Minute lang starrte ich in
den Strudel, in dem meine Feindin versunken war, die gar nicht meine
wahre Feindin gewesen war.
    Simon Kusk!



 
13

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Möbius-Reisen

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    Ich saß im Dschungelee, als ich die Wahrheit erkannte. Die Fleischtopf war soeben durch Voodoo-Vektor 41 geschlüpft,
und ich hatte beschlossen, noch etwas im Bottich zu bleiben und Basil
zu beruhigen. Ich stellte mir gerade vor, ein Spermium kurz vor dem
Abschuß zur Menschwerdung zu sein, dessen Erfolgsfaktor etwa
eins zu vierhundert Millionen betrug. Und plötzlich war sie da,
mitten in meinen Gedanken: die Wahrheit.
    Kusk war gar nicht getötet worden – das war die
Wahrheit. Es war alles ein Traum gewesen, ein Zephapfeltraum. Der
Lotosfaktor hatte viele praktische Anwendungsmöglichkeiten;
unter anderem konnte er einem auch die undurchdringlichste Tarnung
liefern, das perfekteste Alibi, den Tod.
    Ich mußte einen vollen Standardmonat warten, bis ich diese
Erkenntnis mit dem Menschen erörtern konnte, der sie am meisten
zu schätzen wissen würde: Doktor Clee Selig. So lange
brauchte die Fleischtopf, um in Funkreichweite von Zahrim zu
gelangen. Während ich auf dem Kommunikationsdeck auf und ab
marschierte, schimmerte Seligs Bild im Holovisionstank; offenbar
hatte die Kamera in seinem Labor einen engen Aufnahmebereich, denn
der Tank enthielt nichts außer seinem Gesicht, dem
Oberkörper und einem konservierten Gehirn, das auf einer Ecke
seines Schreibtischs stand. Der Professor hatte viel von seiner
übermenschlichen Wirkung verloren. Früher war er so
aufrecht wie ein Schlingbaumstamm gewesen, aber nun hatte sich sein
Rücken zu krümmen begonnen und zog die Schultern mit
herunter. Auf seiner Stirn wurden verspätete Falten
sichtbar.
    Ich unterrichtete ihn in aller Eile über unsere Erfolge und
Mißerfolge. Lilit wahnsinnig. Baptizer erhängt. Iggi
abgewrackt. Die Hamadryade vergiftet, ihre Zweige steif und trocken,
ihre Apfel schwarze, verschrumpelte Beeren.
    »Sie sind Quinjin der Große«, sagte er, wobei
seine Stimme vor Freude knisterte. »Der
Schlingbaumtöter.«
    »Ich bin auch Quinjin der Rätsellöser.« Ich
erzählte ihm von der sensationellen Behauptung des Baumes,
daß Kusk noch lebte, und von meiner gleichermaßen
sensationellen Erklärung dafür.
    Seligs Freude über den Tod der Hamadryade wurde jetzt von
einem weitaus schizoideren Gefühl verdunkelt, in dem sich die
Erleichterung darüber, daß er in Wirklichkeit gar kein
Mörder war, mit dem Kummer darüber abwechselte, daß
sein verhaßter Protege noch am Leben war. »Jetzt ist mir
alles klar«, sagte er. »Ich allein wußte, daß
Kusk die Absicht hatte, einen Lotosfaktor ins Medium
einzuführen. Ich allein hätte den Verdacht auf ihn lenken
können. Es war genauso, wie ich es Ihnen erzählt habe
– die Giftschlange hat mich nachts überfallen und k.o.
geschlagen. Aber offensichtlich war das nicht das Ende seiner
Teufelei. Nein, bevor ich wieder zu mir kam, muß er mir eine
speziell dafür angefertigte Lotoskapsel mit einer Geschichte zu
schlucken gegeben haben, die nur für mich allein bestimmt war.
Vielleicht hat er mir ihren Saft eingeflößt; es kann auch
sein, daß er eine Spritze benutzt hat. Wie auch immer, der
Traum hat mich in seinen Bann geschlagen, und ich bildete mir ein, in
Kusks schäbiger Behausung aufzuwachen, ihn dann mit seinem
Spaten anzugreifen und seinen Sämling zu vernichten. Eine
Illusion, eine Lüge nach der anderen.« Der Professor lachte
widerwillig. »Jemanden zu töten, der das eigene Verbrechen
zu enthüllen droht – da kommt man leicht in Teufels
Küche. Das läßt man lieber bleiben. Aber den
Betreffenden davon zu überzeugen, daß er einen selbst
ermordet hat – also, das ist wirklich narrensicher! Statt zur
Polizei zu gehen, ist der potentielle Informant dann selber auf der
Flucht!«
    »Kusk hat Sie also zum Schweigen gebracht und sich damit die
Freiheit verschafft, seinen Namen zu ändern und sich in
irgendein abgelegenes Sonnensystem abzusetzen.« Ich starrte auf
meinen linken Stiefel und hob ihn gegen den beharrlichen Sog der
Schwerkraft auf der Fleischtopf vom Boden. »In nichts
Geringeres als eine Burg. Der Baum wußte
alles.«
    Dann sah ich den

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