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Der Kontinent der Lügen

Der Kontinent der Lügen

Titel: Der Kontinent der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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der anderen
Seite des Tors. Ninnghizzidas gleißendes Licht fiel durch die
Sichtluken der Fleisch topf und glitzerte auf ihren
Stabilisatoren. Einst nur ein seltsamer Name, war sie zum
größten Stern der Galaxis geworden.
    Dank Parnwelters Galaktischem Atlas hegte ich keine hohen
Erwartungen in bezug auf den Planeten Absu. Auf Ninnghizzidas
äußerstem Gefangenen gab es nur wenig, was ihn anziehend
machte, abgesehen von reichen Dschungeleevorkommen (»O seltnes,
wundersames Ichor!« schrieb Parnwelter im Versuch, poetisch zu
sein. »O Puffer der Sternensprünge! O Schmierfett der
Voodoo-Vektoren!«), die unter einer schneebedeckten Tundra
lagen. Ushumgallum, die Stadt, die uns die Hamadryade als Ziel
genannt hatte, war anscheinend nicht mehr als eine
Dschungeleeförderstadt. (Keine Stadt nördlich von Absus
Äquator war anscheinend mehr als eine
Dschungeleeförderstadt.) Was die ›Kharsog-Festung‹ und
das ›Lotos-Institut‹ betraf, so gab es im Atlas keinerlei Hinweise auf die Existenz eines solchen Ortes.
    Aus der Luft gesehen kam mir Ushumgallum wie ein Hologramm vor,
das in einem Wörterbuch zur Illustration des Wörtchens
MALERISCH vorgesehen war. Hier hatte man weder Angst vor Verzierungen
gehabt noch besessene Begeisterung für gerade Linien oder ein
Verlangen nach der langweiligen, klaren Geometrie verspürt, die
den Nindukagga-Platz in meiner Heimatstadt kennzeichnete. Das Wetter,
das praktisch nur aus Schnee bestand, hatte viel mit Ushumgallums
malerischem Aussehen zu tun. Jedes Dach war spitz, um die pulverigen
Ablagerungen besser zu reduzieren. Jede Fassade wimmelte von
Filigranarbeiten und Skulpturen, um die planare Gleichförmigkeit
der allgegenwärtigen Verwehungen besser bekämpfen zu
können.
    Die Stadt hatte einen riesigen Raumhafen aufzuweisen, einen
automatisierten Bienenstock von Frachtschiffen, die leer ankamen und
mit rohem Dschungelee beladen abflogen. Aber wir suchten vergeblich
nach einem Hotel. Das Beste, was wir bekommen konnten, war eine
Pension namens ›Zur Witwe Flumm‹ in der Stadtmitte, ein
dumpf vor sich hinbrütendes dreistöckiges Haus, das von
einer krankhaft sauberen Frau mittleren Alters geleitet wurde, deren
imposante Statur ihre Behauptung bekräftigte, daß sie
zwölf Kinder in ebensovielen Jahren zur Welt gebracht hatte.
    »Sechs Jungen und sechs Mädchen, und alle
Geleeförderer«, informierte uns die Witwe innerhalb von ein
paar Minuten nach unserer Ankunft. »Diese Geleefelder – uarcks! – nichts als Dreck. Aber was meine Kinder sind,
die haben nie auch nur ’n Krümel davon hier reingeschleppt,
kein einziges Mal. Die sind so sauber wie Ihre Katze da, Mr. Quinjin.
Letzte Woche hat meine Alicia ihre Quote um hundert Liter
übererfüllt. Hat ’ne Medaille gekriegt. Ich
erzähl Ihnen das nur, weil ich sehe, daß Sie auch ’n
Kind haben. Na los, nun prahlen Sie schon mit der Kleinen.«
    Wir saßen in der guten Stube der Witwe Flumm und sahen zu,
wie Schneeflocken an bernsteinfarbene Fenster flogen. Das
Herzstück des Raumes war ein Holzofen, und bevor ich etwas
sagte, warf ich Basil von meinem Schoß, senkte die Hände
über die Wärme und massierte mir das Wetter aus den
Fingerknochen.
    »Lilit ist krank«, sagte ich.
    »Sie sieht aber nicht krank aus«, erwiderte die Witwe
Flumm.
    »Sie glauben, daß sie krank im Kopf ist«,
sagte Lilit. »Sie haben keine Ahnung. Sie wissen überhaupt
nichts. Sie kennen nicht mal die Geheimsprache von Goth.« Ein
Leiern ertönte, so hohl wie der Ton, in dem Marta Rem ihre
Prophezeiungen von sich gab. »Makesch kyrikusch eschika morla
kyrik kyrik«, sagte Lilit.
    Urilla und ich wechselten einen traurigen, bedrückten Blick. O verdammt, ging unsere stumme Unterhaltung, schon
wieder ein neues Symptom. Jonnie musterte Lilit mit aufreizend
wissenschaftlicher Neugier. Die Witwe Flumm lächelte.
    Die Geheimsprache hörte auf. »Du würdest auch
leiden«, sagte Lilit und sah mich direkt an, »wenn dein Vater an einen Felsen geschmiedet wäre.«
    »Wenn du erstmal anfängst, auf den Geleefeldern zu
arbeiten«, meinte die Witwe Flumm zu meiner Tochter,
»wird’s dir besser gehen.«
    Die Toleranz, die in ihrer Bemerkung zum Ausdruck kam, gefiel mir.
Ich hatte den Eindruck, daß Lilit so psychotisch sein konnte,
wie sie wollte, solange sie kein rohes Dschungelee ins Haus
schleppte.
    »Wir sind nicht hier, um auf den Feldern zu arbeiten«,
sagte ich. »Wir wollen uns nur ein paar Tage ausruhen, dann
machen wir uns auf den Weg zum

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