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Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Titel: Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Zettel aus einem Sack; er hatte manchmal welche in der Hand gehabt. Es ärgerte ihn, daß man ihm von außen zuredete, tu dies, tu das. Es war ihm zuwider, daß sich Fremde einmischten. Im vorigen Monat waren mal die beiden jungen Brüder Kunkel aus der Stadt gekommen. Sie hißten zwei Hakenkreuzfahnen, eine vor der Haustür, eine auf dem Treibhausdach. Sie standen in neuen Röcken – zwar nicht in braunen, die waren verboten, in was Grüngrauem – vor der Haustür, reckten die Hälse, ließen sich betrachten und ausfragen. Die guten Windjacken, die ledernen Gürtel, die hohen Stiefel machten den Jungens am Ort runde Augen. Lastautos kamendurch mit zwanzig, dreißig Jungens, nahmen Kunkels mit, setzten welche bei Kunkels ab. Viele Bauern schüttelten die Köpfe. Manche sagten: »’ne neue Narrheit!« Manche sagten: »Wer weiß – vielleicht –« Einer sagte: »Doch besser wie die roten Büttels. Die wollen doch was bringen, die wollten nur was holen.« Einer sagte: »Na, bringen – mit dem Maul.« Bastian sagte auch: »’ne neue Narrheit.« Er machte einen Bogen um den Trubel. Beim Anblick der Kunkels grämte ihn, daß er keine solchen Söhne hatte, kräftig und beschlagen, nur das niedrige Gestrüpp um die Knie.
    Einmal wachte er nachts auf. Ihn quälte bis in den Traum die Ratenzahlung für die Pumpe. Er hatte voriges Jahr bohren lassen, weil ihn die Frau beim Eimerschleppen dauerte; denn sie war klein und schwach, und seine Tochter zu jung. Jetzt kam er mit der Abzahlung nicht zurecht. Er lag wach und rechnete. Da knallten zwei Schüsse aus der Richtung von Billingen und durchlöcherten seine Gedanken. Er vergaß sie eine Weile, zitterte und horchte. Dann fiel ihm alles wieder ein, deutlicher, weil er jetzt ganz wach war. Er hatte sagen hören, bleiche Kinder wie Dora hätten weiche Knochen. Dann drücke ihnen das Schleppen den Rücken ein. Das war aber nur übriggebliebenes Gerede von seinen Reisen vor dem Krieg in anderen Gegenden. Das nutzte gar nichts, heute, an diesem Ort.
    Es gab aber auch noch lichte Stunden. Er richtete sich auf von seinem Acker, langsam ließen die ziehenden Schmerzen in seinem Rücken nach, er atmete tief und sah sich um. Der Horizont war nur ein dünner Rain zwischen den Feldern der Erde und dem unermeßlichen blauen Feld des mächtigen Nachbarn.
V
    Als Johann am Morgen aufwachte, standen Andreas Bastians Kinder an derselben Stelle wie am Abend, am Fußende der Bank, und betrachteten ihn. Am dichtesten stand die Dora Bastian, eine dünne, hoch über ihre Geschwister geschossene Zehnjährige. Ihr Gesicht war schmal und lang; ohne sich zu runden, wuchs es aus dem Hals heraus. Sie war sehr bleich, mit hellen, kaum sichtbaren Brauen, bräunlich nur über Schultern und Armen, ganz ohne Lächeln wie ihre Mutter. Ein schwacher Glanz kam selten in ihre Augen und erlosch schnell. Auf Johann hinunterblickend, flocht sie ihr Zöpfchen mit unendlicher Langsamkeit. Johann dachte an seine Schwester, damals in der Frühe, gähnend im Leibchen, dürrarmig, zopfflechtend. Er sprang auf und lief aus der Stube. Die Kinder drehten sich alle um und folgten bis auf die Türschwelle. Von hier aus sahen sie zu, wie er sein Hemd über den Gürtel zog und sich unter der Pumpe abgoß. Andreas Bastian kam aus dem Stall, warf einen verwirrten Blick auf Johanns triefenden jungen Rücken. Johann sah sich um nach etwas zum Abtrocknen; ohne das Gesicht von ihm zu drehen, zog Dora ihre Schürze aus und reichte sie hin.
    Er schlupfte ins Hemd. Es war zwischen fünf und sechs. Kühler, golddunstiger Morgen umgab seinen frischen Körper und forderte ihn auf, teilzunehmen. Johann spreizte unwillkürlich die Arme. Gleich fielen sie herunter. Er zuckte die Achseln und senkte den Kopf.
    Er trat hinter den Kindern in die Stube, Kaffeegeruch, auf dem Tisch ein großer Teller voll alter Brotstücke, ein paar Tassen. Die Frau schenkte ein, gab jedem aus der Tüte einen Löffel Zucker, legte die Zuckertüte in die Schublade. Sie goß aus dem Schöpfer ein paar Tropfen Milch in jede Tasse. Johann dachte an die kuhwarme Milch in den Eimern vor der Tür zum Verkauf. Er tunkte still sein Brot.
    Margarete Bastian nahm das kleine Kind auf ein Knie.Sie öffnete ihr Kleid; sofort begann das Kind wütend zu schreien. Diesmal schloß sie schnell ihr Kleid und tunkte ein wenig Brot, wonach das Kind gierig schnappte. Über dem Tisch trafen sich Mann und Frau mit einem schweren, scheuen Blick, den Johann nicht verstand. Langsam drückte

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