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Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Titel: Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Tür abriegeln. Sie ließ für Johann den halben Brotlaib auf dem äußeren Fensterbrett, Salz und heiße Kartoffeln. Er nahm sich soviel Brot, wie er am Abend bekommen hatte. Kurze Zeit war er satter, ruhig. Ein wenig Gescharr und Gegacker, Glucksen unter der Pumpe, zu dem trocknen Brot der dünne, mittägliche Fettgeruch des Dorfes. Er setzte gedankenlos die fertigen Scheite in den Schuppen zu sauberen, ordentlichen Stößen. Die Kinder kamen wohl nicht mehr zurück. Die halfen, aber der Regen kam wohl kaum vor Nacht. Er senkte den Kopf tief bei dem Gedanken an die Regennacht. Er legte Klötze auf und schwang die Axt. Er hieb auf den schläfrigen Mittag ein, auf die trügerische Stille des Dorfes. Mit bösen, schonungslosen Hieben schlug er ein auf den Frieden dieses Hauses. Es blieben nur noch wenige Klötze übrig. Seine Kraft ließ langsam nach, auch sein Zorn. Als er schnaufte, standen Bastian und die Kinder hinter ihm. Er wischte sich den Schweiß ab. Er allein warheiß, die Luft um ihn herum war kühler. Über dem abendlichen Dorf lag jetzt eine Stille ganz anderer Art, nicht mehr des Druckes, sondern der abgeworfenen Last, endgültige Erleichterung. Bastian betrachtete Johann mit etwas spöttischem Lächeln, während sein halbverdeckter Blick vor Trauer dunkel wurde: hätte ich nur früher, zur rechten Zeit, einen Sohn bekommen.
    Das brauchte nicht mehr besonders ausgemacht zu werden, daß Johann jetzt auch gleich mitaß: saure Milch, in die man hineinbrockte. Er ging wieder hinaus zu den übrigen Klötzen. Um ihn herum wurde den Hühnern gestreut, gepumpt, Eimer in den Stall getragen. Johann legte die letzten Klötze auf. Er schwang die letzten Hiebe gegen den Tag, das einzige, was bestimmt zu Ende war.
    Bastian trat zu ihm, noch bevor er gefürchtet hatte, die Aufforderung könnte ausbleiben. »Da kannste noch mal hier schlafen. Morgen ist ja auch Sonntag.«
    Bastian streckte eine flache Hand von sich und fügte hinzu: »Es fängt auch an zu regnen.«
VI
    Nun geschah etwas in der zweiten Nacht seines Hierseins, das zwar mit ihm nicht das geringste zu tun hatte, aber ihr Leben lang von Bastians und den Kindern mit seiner Ankunft in Verbindung gebracht wurde. Gegen zwei Uhr fuhr der alte Bastian hoch, Unruhe im Geflügelstall, tolles, keifiges Gegacker. Da kriegte er seine Frau mit einem Puff wach. Sie horchte kurz, dann rannten beide ins Freie.
    Johann hatte sich auch hochgerichtet, Bastian hatte gezischt: »Der Fuchs!« Da kam er nach.
    Es regnete nicht mehr, ihre nackten Zehen tauchten in feuchte, schleimige Erde. Eine kurze Unschlüssigkeit. Bastian hatte eine eiserne Stange in den Händen, sein Mundstand offen. Johann fragte mit zwei Gebärden nach einer Flinte – keine da. Er nahm ihm die Stange weg. Einen Augenblick später lag sein Körper platt auf dem Stalldach, Bastian sah nur die Stange gegen den mit Sternen besäten Himmel. Sie zitterten und hielten ihre Hemden zusammen. Johann schwenkte den Arm: Stalltür auf!
    Alles ging so schnell, daß es eigentlich schon vorbei war, als sich Dora ganz kurz nach Johann aufrichtete. Durch die offene Tür kamen Gegacker und Flügelschläge, ungewohnt im nächtlichen Garten. Die Mutter stand bereits wieder in der Stube. Sie rief mit merkwürdiger Stimme: »Wie viele hat’s geschnappt?« Die Stimme des Vaters kam von ziemlich weit her: »Nur das eine.« Gleich darauf kamen beide Männer zurück. Der Fuchs war ihnen entgangen, er hatte aber seine Beute lassen müssen. Bastian hielt die Gans von sich weg, sein Hemd war blutbefleckt.
    Die Frau sagte: »Die muß man gleich rupfen, die muß man gleich fertigmachen.« Die Kinder waren alle wach geworden, viele glänzende Käferaugen. Auf dem Tisch im Dunkeln blähte sich der schneeweiße Vogelbalg. Bald drängten sich alle um den Herd, heiß vor der Brust und frostig im Rücken.
    Der alte Bastian sengte den Biß aus und erweiterte den Schnitt, damit das Blut auslief. Dora hielt steif mit erschrockenen Augen ein Schüsselchen unter. Auch ihr Hemd war voll Blutspritzer. Dann schnitt Bastian Hals, Flügel und Füße ab. Er sagte: »Ein Glück, daß es bloß die eine war. Es hätten ja alle sein können.«
    Die Frau nahm die Gans mit einem tiefen Griff aus. »Der Naphtel hat sie alle vorausbestellt.« Sie trennte vorsichtig mit ihrem kleinen scharfen Messer das Eingeweide. Die Männer rupften. Bastian sagte: »Der Naphtel verkauft sie weiter in Billingen.« Er sah plötzlich in Johanns Gesicht, bestürzt. In Johanns

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