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Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932

Titel: Der Kopflohn - Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer 1932 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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kennen auf den Hügelabfällen und Waldbauern auf windigen Hochflächen. Die Winter waren hart. Er lernte die Zubereitung verschiedener Fette und Öle für Holz und Leder. Er lernte vertrackte Unterhaltungen mit Gott, wenn er allein war, und der Meister schwerhörig und die Fenster angelaufen.
    Er schlug einen großen Bogen nach Nordwesten, bei dem ihm das Handwerk oft an den eigenen Füßen zustatten kam. Der Anblick des sommerlichen Meeres erstaunte ihn tief und erweiterte seine Vorstellung von der Allmacht Gottes. Juni, Juli, August. Der Weltkrieg packte ihn und verfrachtete ihn weit über den Umkreis seiner eigentlichen Wünsche. Er war an der Westfront und an der Ostfront und in Rumänien. Er war nie schwer verwundet: ein Herrgott, der ihn verschonte und vielleicht ahnte, daß dieser Mann mit einem Genesungsurlaub wenig anzufangen wußte. Brennende Dörfer, zerrissenes Fleisch zerstörten nicht seinen Glauben an eine verborgene Ordnung. Denn er wurde nach wie vor gebraucht. Wochenweise regulär in den Armeewerkstätten hinter der Front, und sonst immer täglich, wo etwas an Schuhen in Unordnung geriet; denn auch der Tod braucht Stiefel.
    Als die Fronten fielen und die Armeen heimströmten, zog Bastian von Südosteuropa nach der Heimat. Schon bekamen in der großen Wirrnis die einzelnen Wünsche feste Umrisse. Aber das hatte nichts mit ihm zu tun, oder er glaubte es wenigstens nicht. Denn seine eigene Unruhe war vollkommen erschöpft. Vielleicht war sie auch aus den äußeren Bezirken in die inneren umgeschlagen. Erbekam Heimweh, nicht nach Häusern oder Menschen – an die dachte er auch jetzt mit Widerwillen. Er hatte einfach Angst, die Erde könnte ihn weniger gütig aufnehmen als seinen Bruder, weil er sich weniger um sie bemüht hatte. Während der tagelangen Fahrt spähte er nach Äckern aus, herbstliches nasses Land.
    Daheim wurde er mit geringer Freude aufgenommen. Zwei ansässige Schuster konnten sich selbst nicht durchschlagen. Konrad Bastian klagte, sein Besitz sei heruntergekommen und verschuldet durch die Neuanschaffungen, die er brauchte, um seine Wirtschaft in Schuß zu bringen. Was Andreas Bastian anging, sei er durch das Lehrgeld und die Ausstattung ausbezahlt. Er hätte auf allen Anspruch durch seinen freiwilligen Weggang verzichtet.
    Schließlich endete alles damit, daß sich Konrad Bastian ein Stück ziemlich sandigen Bodens nach dem Fluß zu abzwacken ließ. Auch die kleine Ziegelsteinbude mit dem Gartenstreifen konnte er ihm nicht gut absprechen – sie war ihm bei seinem Wegzug ausdrücklich als Anteil zugebilligt worden. Sie lag eine halbe Stunde von den Äckern entfernt.
    Dort zog Andreas Bastian ein, ein paar Bretter, ein Strohsack. Er versöhnte sich niemals wirklich mit seinem Bruder, aber er lieh sich hie und da ein Werkzeug und stand seinem nachgeborenen Kind Pate.
    Andreas Bastian wäre nie auf den Gedanken gekommen zu freien, wenn nicht der Margarete Altmeier ihr Mann an Grippe gestorben wäre. Die Witwe war eine winzigkleine Bäuerin mit handgroßem, blassem, nie lächelndem Gesicht. Die konnte ihn sicher nicht stören. Ihn trieb auch nicht der Wunsch nach Hochzeitsfreuden, sondern die Angst, allein zu liegen in einem unordentlichen Grab. Denn er war sich klar, daß das alles kein Aufschwung war, sondern der Ablauf des Lebens. Diese Frau brachte zwei Kühe mit, Möbel, Bettzeug. Ein halbes Leben lang hatte sie unverdrießlich die Trägheit des langen, schlaksigenMannes wettgemacht. Wie gut ihr das jetzt tat: ein Mann, der sich mühte. Alles sah aus, als könnten sie miteinander ihr Leben in Ordnung zu Ende führen. Da kam etwas dazwischen. In der langen Ehe mit dem prächtigen, prahlerischen Altmeier war die Frau nicht schwanger geworden. Jetzt gebar sie ein Kind, und in kurzen Abständen noch vier Kinder. Bastian hatte die Frau bereits gelehrt, gern an den Tod zu denken. Jetzt mußten sie sich scharf umdrehen. Jetzt hieß es, nicht nur den letzten Rest auskosten, sondern das Ganze, jeden Tropfen, den sie verabsäumt hatten.
    Die ersten Jahre war es soviel, als ein Mensch tragen kann, wenn er sich Mühe gibt. Dann war es noch mehr geworden.
    Bastian mißtraute den ausgiebigen Klagen der Nachbarn. Er dachte, es sei vor allem ihm bestimmt, zugrunde zu gehen. Grade das war sein Trost, daß es ihm bestimmt war, etwas für ihn von oben Ausgedachtes, eine Prüfung.
IV
    Es kamen zuweilen Lastautos durch, rotbeflaggte, hakenkreuzbeflaggte. Sie schrien Reden durch ein Rohr, sie schneiten

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