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Der Kraehenturm

Der Kraehenturm

Titel: Der Kraehenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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seinen Kopf an ihr rieb.
    »Gram mag ihn.«
    Was auch immer der Preis sein mochte, Icherios war bereit ihn zu bezahlen. Aber seinen kleinen Gefährten würde er nicht noch einmal verlieren.
    »Ich gebe Maleficium nicht her.«
    »Willst du nicht zuerst den Preis wissen?« Hazecha neigte neugierig den Kopf.
    »Nein.«
    Sie setzte die Ratte auf den Boden und öffnete das Holzkästchen. In seinem Inneren lagen sechs mit giftgrüner Flüssigkeit gefüllte Phiolen. »Du wählst eine und trinkst sie. Im Gegenzug beantworte ich dir eine Frage, wenn es mir möglich ist.«
    »Was ist in den Phiolen?«
    »Fünf sind mit gefärbtem Wasser gefüllt. Die sechste beinhaltet ein tödliches Gift.«
    Icherios blickte sie fassungslos an.
    »Es tötet schnell. Du wirst nichts spüren.«
    Der junge Gelehrte stand auf und ging im Raum auf und ab. Sollte er es wagen?
    »Was geschieht, wenn Ihr mir die Frage nicht beantworten könnt?«
    »Dann darfst du mir eine andere stellen. Wann immer du möchtest.«
    Icherios sah sie prüfend an. Würde sie Wort halten? Oder war es Gismaras Plan, ihn auf diese Weise zu beseitigen? Hatte Freyberg doch recht mit seinen Anschuldigungen? Er dachte an die Nixen, an den geheimnisvollen Schatten und die Leichen. Er musste Antworten finden.
    »Ich tue es.« Seine Stimme klang tonlos, sein Magen verkrampfte sich.
    Hazecha nickte. »Ich hatte nichts anderes erwartet.« Sie hob den Kater hoch, ging zur Tür und ließ ihn hinaus. »Geh, und fang ein paar Mäuse.« Gram maunzte leise, bevor er im Dunkeln verschwand. Die Hexe nahm ein schwarzes Tuch von der Wand und stellte die Phiolen eine nach der anderen darauf. »Bist du sicher, dass du das tun willst?«
    Icherios’ Herz raste, als er nickte. Das ging alles viel zu schnell. Er hatte auf ein Ritual gehofft, um nachdenken zu können, aber Hazecha blickte ihn erwartungsvoll an.
    »Die Flüssigkeit riecht etwas unangenehm, doch der Geschmack ist erträglich.«
    Als ob das seine größte Sorge wäre. Mit zitternden Händen wählte er die mittlere Phiole. Dann überlegte er es sich anders und schloss die Augen. Mit angehaltenem Atem fuhr er im Kreis über das Tuch, bis ihm sein Gefühl befahl, anzuhalten. Seine Finger ruhten über der linken. Sein Herz drohte aus seinem Körper zu springen, als er den Korken hinauszog. Sein Atem ging unregelmäßig und stoßweise. Sollte man nicht noch etwas Bedeutungsvolles sagen in so einer Situation? Sollte er nicht an seine Familie und Freunde denken? Ungeachtet dessen beherrschte einzig die Angst seinen Geist. Ihm wurde bewusst, dass er, sollte er überleben, sich vom Strigoi befreien musste. Niemals hätte er den Mut sich zu töten. Raban hatte recht. Er hatte noch nicht genug gelitten.
    »Ihr kümmert Euch um Maleficium, falls ich sterbe?«
    Hazecha nickte. »Er wird ein gutes Leben haben.«
    Der junge Gelehrte holte tief Luft, dann stürzte er die Flüssigkeit hinunter. Ein Brennen breitete sich in seiner Kehle aus. Er musste würgen, aber es war nur die Angst, die seinen Magen verknotete. Er hatte die richtige Phiole gewählt.
    Hazecha lächelte, und er erkannte aufrichtige Freude in ihren Augen. »Der Preis wurde gezahlt«, sagte sie feierlich. »Nun stelle mir deine Frage.«
    Aber Icherios’ Knie gaben nach, und er sank auf den weichen Teppich. Er brauchte einen Moment, um wieder zu sich zu finden. Was genau sollte er fragen? Was war das Entscheidende?
    »In Heidelberg sterben Menschen, etwas Böses zieht durch die Stadt und raubt ihnen den Schatten. Was ist es?«
    Hazecha senkte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
    Icherios blickte sie fassungslos an. War alles vergebens gewesen?
    »Es tut mir leid. Ich spüre die Anwesenheit des Wesens, aber ich habe nie zuvor Derartiges gesehen oder davon gehört. Hast du eine andere Frage?«
    Icherios schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt.« Er konnte nicht glauben, dass sie ihm nicht weiterhalf.
    »Ich gebe dir einen Rat. Gehe zu Ehregott Kossa, ein Pfaffe, der ranghöchste, katholische Pfaffe in Heidelberg, um genau zu sein. Sag ihm, dass ich dich schicke, und erinnere ihn an seine Schuld. Dann fordere ihn auf, dich in die Bibliotheca Palatina zu führen.«
    Der junge Gelehrte musterte Hazecha misstrauisch. Die Bibliotheca Palatina galt als Mutter aller Bibliotheken, doch war ihr Bestand im Jahre 1626 von der Bibliotheca Apostolica Vaticana übernommen worden. Zurzeit gab es keine Büchersammlung in der Heiliggeistkirche.
    »Die Bibliotheca Palatina befindet sich seit Jahrhunderten

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