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Der Kraehenturm

Der Kraehenturm

Titel: Der Kraehenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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die Entfernung vergrößern mussten, um nicht aufzufallen. Sie schlichen von einem dunk­len Hauseingang zum nächsten, um sie zu beobachten. Immer wieder drehte sich Gismara um, anscheinend war sie nicht so leichtsinnig, wie Silas vermutet hatte, aber er und Oswald verfügten über jahrelange Erfahrung im Verfolgen von Opfern, sodass die Hexe sie nicht bemerkte. Schließlich blieb sie vor einem Steinhaus stehen, dessen Fenster seltsame Formen und Anordnungen aufwiesen. Offenbar fand sie nicht den richtigen Schlüssel, ununterbrochen suchte sie ihren gewaltigen Schlüsselbund danach ab.
    »Oh je«, murmelte Oswald.
    »Was?«, fauchte der Hexenjäger. Allmählich verlor er die Geduld.
    »Nicht hier.« Der Mörder wirkte fast schon ängstlich und winkte Silas, ihm zu folgen.
    Nachdem Gismara im Haus verschwunden und die Tür hinter sich geschlossen hatte, wandte sich Silas ab – so schnell würde sie vermutlich nicht wieder herauskommen – und suchte seinen Freund. Er fand ihn in einer angrenzenden Gasse an eine Hauswand gepresst mit kreidebleichem Gesicht.
    »Deine kleine Hexe scheint in größere Angelegenheiten verwickelt zu sein.«
    »Und das verrät dir ein Haus?«
    »Es gehört irgendeinem Geheimbund. Gerüchte gehen um, dass sie sich um Probleme der besonderen Art kümmern, du verstehst schon, Geister und so ein Kram. Jedenfalls hält sich jeder, dem seine Seele lieb ist, von diesem Haus fern.«
    »Interessant.« Silas wandte sich ab und suchte einen Ort, von dem aus er das Gebäude unauffällig beobachten konnte. Er hatte das Gefühl, viel zu wenig von dem zu wissen, was um ihn herum vorging, und das gefiel ihm nicht. Ganz und gar nicht.
    Nachdem er Gismara einige Zeit später zurück zu ihrem Haus gefolgt war, ging er in den Mäuseschwanz , zog sich um und begab sich zur Heiliggeistkirche, um seinen lästigen Aufgaben als Diakon nachzukommen. Er war so in Gedanken verloren, dass er es sogar unterließ, die heuchlerischen Sünder, die er bei der Beichte anhörte, mit seltsamen Bibelzitaten zu verwirren.
    Am Abend traf er sich mit Gismara in ihrem Zimmer im Mäuseschwanz . Auch wenn es ihm schwerfiel, hatte er sich entschlossen, der Hexe nicht zu verraten, dass er von ihrem Besuch bei dem Geheimbund wusste. Diesen Trumpf wollte er sich für später aufheben. Du willst sie nur nicht verärgern, flüsterte eine gehässige Stimme in seinem Kopf. Du genießt ihr kleines Lächeln, das sie dir schenkt, wenn sie glaubt, dass du nicht hinsiehst, viel zu sehr.
    Gismara, nun ganz auberginefarben gekleidet, einschließlich eines gefärbten Pelzes, den sie um ihre schmalen Schultern trug, wanderte unruhig im Zimmer auf und ab. Sie hatten vereinbart, dass sie sich ohne ihre Verkleidung als rote Witwe über die Hintertür hineinschlich, damit keine Gerüchte über eine Liebschaft der sagenumwobenen Wahrsagerin aufkamen. Schließlich zwang sie sich zur Ruhe, setzte sich auf die breite Fensterbank und starrte den Hexenjäger an.
    Er trug einfache Leinenkleidung, seine Waffen und die mit Leder verstärkte Hose und das Hemd lagen in seinem Zimmer. Sie würden ihr Misstrauen nur noch weiter schüren.
    »Erstaunlich, wie leicht es einem Diakon fallen kann, seine Robe abzulegen.«
    Silas zuckte mit den Schultern. »Um den Mörder meines Bruders zu fangen, bin ich zu einigen Opfern bereit. Zudem müsstest du wissen, dass ich kein gewöhnlicher Geistlicher bin.«
    Gismara schnaubte. »Das kannst du laut sagen.«
    Mit Freude registrierte der Hexenjäger, dass sie zu einem vertraulichen Du übergegangen war.
    Silas sah die Zweifel in ihren Augen. Sie kannte Zacharas, wusste um dessen Stolz auf seine geistlichen Gewänder. Er wollte sich ihre Reaktion nicht vorstellen, wenn sie erfuhr, dass er sein Geld mit der Ermordung ihrer Schwestern verdiente.
    »Ich habe vielleicht herausgefunden, wer der Kutscher ist, den der Hufschmied gesehen hat.«
    »Wir sollten ihm einen Besuch abstatten.« Gismara sprang auf.
    Silas hob beschwichtigend die Hand. »Er ist ein Auftragsmörder, die lassen sich nicht so einfach aufspüren.«
    »Dann hat der Kutscher Zacharas also getötet?« In die Augen der Hexe trat ein bedrohliches Leuchten.
    »Ich glaube nicht. Ninges tötet mit Klingen und begnügt sich nicht damit, jemanden in den Fluss zu werfen. Aber mein Gefühl sagt mir, dass er da mit drinsteckt.«
    »Dein Gefühl?«
    »Gott«, korrigierte sich der Hexenjäger rasch.
    »Gib mir die Adresse dieses Mannes, und ich finde die Wahrheit heraus.«
    Silas

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