Der Kraehenturm
nicht mehr in Heidelberg.«
Hazecha schmunzelte. »Manchmal sind Geistliche doch zu etwas zu gebrauchen. Einige waren nicht glücklich mit dem Abtransport all des Wissens und fürchteten, dass einige spezielle Bücher vom Vatikan vernichtet werden würden. Sie verbargen diese in einem geheimen Gewölbe in der Kirche.«
»Und nach was suche ich dort?« Icherios’ Herzschlag beschleunigte sich. Bücher waren seine größte Leidenschaft.
»Nach den Ritualen der Hexereye von Alheit Dovelnig.« Sie ging zu einem Bild, das eine blonde Frau in einem Rosengarten darstellte, und nahm es ab. Dahinter kam ein kleines Fach zum Vorschein, aus dem sie eine Ampulle aus schwarzem Glas hervorholte. »Kopiere den Text, den du in dem Abschnitt Abhandlungen der Schatten finden wirst, auch wenn er dir unverständlich erscheinen mag. Achte darauf, dass du jede einzelne Linie exakt wiedergibst.«
»Aber wenn Ihr wisst, was darin steht, warum sagt Ihr es mir nicht einfach?«
Hazecha schüttelte den Kopf. »Ich habe es nie gelesen, doch das Buch ist eine der umfassendsten Sammlungen magischer Rituale, die ich kenne, und mein Gefühl sagt mir, dass dieses Wesen nicht auf natürlichem Wege entstanden ist.«
»Und ein derartiges Buch befindet sich im Besitz der Kirche?«
»Sie wissen nicht, was dort in ihren Regalen verstaubt.« Sie drückte ihm die Ampulle in die Hand. »Du musst es mit dieser Tinte schreiben, ansonsten wird sich dir der Zauber nicht erschließen.«
»Was ist das?«
»Hexenblut.«
Icherios starrte sie entsetzt an.
»Alheit Dovelnig war eine mächtige Saga und dennoch im Hexenturm gefangen gehalten, der in Hexenkreisen den Namen Krähenturm trägt. Sie wusste um ihren baldigen Flammentod, wollte aber nicht, dass das Wissen in Vergessenheit geriet, welches ihr die Geister verstorbener Hexen zugeflüstert hatten. Deshalb schrieb sie dieses Buch mit ihrem eigenen Blut. Und man vermag es auch nur mit Hexenblut zu kopieren.«
»Warum nennt man ihn den Krähenturm?« Icherios steckte die Ampulle in seine Manteltasche. Allein der Gedanke daran, statt Tinte Blut zu verwenden, ekelte ihn an.
»Diese Vögel und ihre magischen Verwandten spüren die Magie, die von ihm ausstrahlt, und fühlen sich davon angezogen. Aber ich war mit meinen Anweisungen nicht fertig. Du musst es in den letzten Stunden der Nacht im Schatten des Krähenturmes lesen, um die Worte verstehen zu können.«
Der junge Gelehrte nickte. Allmählich gewöhnte er sich an nächtliche Ausflüge. Die Hexe stand auf und öffnete die Tür. »Würdest du mich nun bitte entschuldigen?«
Icherios’ Knie zitterten noch immer, als er sich aufrichtete. Immerhin hatte er nun einen Anhaltspunkt. »Vielen Dank«, murmelte er, als er sich an ihr vorbeidrückte.
»Vergiss nicht, dass du eine Frage bei mir guthast.«
»Das werde ich nicht.«
Sie gab ihm einen sanften Kuss auf die Wange, der ihn erröten ließ. »Sei vorsichtig. Großes Unheil nähert sich und wirft seinen Schatten voraus.« Dann schloss sie die Tür.
Als er die Treppe hinunterging, fühlte er sich beobachtet. Er drehte sich um und sah Gram auf einer Fensterbank liegen. Seine Blicke verfolgten ihn, bis er das Haus verlassen hatte.
Obwohl Icherios der Kopf schwirrte von den Ereignissen der letzten Stunde, ging er direkt zur Heiliggeistkirche. Das gewaltige Gebäude faszinierte ihn, und er bewunderte die kunstvollen Fenster, während er zum Eingang schritt. Kaum hatte er das Schiff betreten, wurde er von einem feisten, jungen Mann abgefangen, der sich als August vorstellte. Icherios fand seine überhebliche und zugleich kriecherische Art äußerst unangenehm. Es wurde noch schlimmer, als er sich weigerte, den jungen Gelehrten zu Ehregott Kossa vorzulassen. Icherios blieb jedoch stur, sodass er zwar eine Stunde warten musste, dann aber in ein prunkvolles Zimmer geführt wurde, das unter der Last des Goldes zusammenzubrechen drohte.
Ehregott Kossa saß hinter einem schweren Holztisch aus Eichenholz und blickte ihn streng an. Er war von mittlerer Größe und hatte in seiner Jugend sicher nicht schlecht ausgesehen, aber die Zeit hatte seine Wangen nach unten sacken lassen, und dicke Tränensäcke hingen inzwischen unter seinen braunen Augen.
»Hochehrwürden.« Icherios verbeugte sich.
»Wie kann ich Ihm helfen?« Kossa senkte seinen Blick wieder auf die Papiere, die auf dem Tisch ausgebreitet lagen.
Der junge Gelehrte versicherte sich, dass sich niemand im Raum befand, dann antwortete er leise.
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