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Der Kraehenturm

Der Kraehenturm

Titel: Der Kraehenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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Freyberg würde niemals jemanden schicken, der seinem alten Widersacher traut.«
    Schweigend aßen sie auf. Silas hatte nicht alles verstanden, doch anscheinend würden sie eine weitere Person ins Vertrauen ziehen. Ihm behagte der Gedanke nicht. Je mehr von ihren Plänen wussten, desto leichter waren sie zu verraten. Dennoch schloss er sich ihnen an, als sie durch das Gewirr der Treppen zu der Wohnung dieses Icherios gingen. Inzwischen war es später Nachmittag, und die Dunkelheit begann, sich über die Stadt zu legen.
    Icherios hatte den halben Tag verschlafen. Er war zu erschöpft, und der Verlust seines Schattens schwächte ihn zunehmend. Noch in sein Nachtgewand gekleidet saß er über seinen Büchern und versuchte Hinweise zu finden, wie er den Schattenverschlinger vernichten konnte oder was es mit der Doppelspirale auf sich hatte. Er hatte bereits in Erwägung gezogen, nach Dornfelde zu reisen, um in der Bibliothek des Schlosses nach Informationen zu suchen. Allerdings glaubte er nicht, dass er die lange Fahrt überstehen würde.
    Stimmen erklangen vor seiner Tür, dann klopfte es. Drei von ihnen konnte er erkennen. Es waren Franz und Gismara, aber wer war der dritte fremde Mann? Waren sie gekommen, um ihn zu töten? Was sollte er tun? Eine Flucht aus dem Fenster würde ihm niemals gelingen. Unruhig knetete er seine Hände. Ihm blieb keine andere Wahl, als zu öffnen.
    »Einen Moment.«
    Er zog sich einen Morgenmantel an, setzte Maleficium auf seine Schulter, um ihn bei einer Flucht nicht zurücklassen zu müssen, und öffnete die Tür.
    Ohne auf eine Aufforderung zu warten, traten Franz, Gismara und ein hagerer Mann mit durchdringenden, stahlgrauen Augen und einer Furcht einflößenden Narbe quer über dem Gesicht ein. Als sie zu seinem Tisch gingen, bereute er, die Bücher und seine Unterlagen nicht weggelegt zu haben.
    »Wir müssen mit dir reden«, stellte die Werratte fest, nachdem er den Fremden kurz vorgestellt hatte.
    »Über was?« Die Frage klang schärfer, als Icherios be­absichtigt hatte.
    Franz blickte ihn überrascht an. »Setz dich erst einmal.«
    »Das wird nicht nötig sein«, sagte Silas und zog bereits sein Schwert. Er hielt den Zettel mit der Doppelspirale in der Hand, den Icherios neben dem Monstrorum Noctis liegen gelassen hatte.
    Franz schob sich schützend vor den jungen Gelehrten.
    »Was soll das?«, fauchte Gismara. »Bist du nun vollständig durchgedreht?«
    Der fremde Mann zeigte ihr das Symbol. »Hältst du es für einen Zufall, dass dieses Symbol hier rumliegt?«
    Die Hexe drehte sich um. »Geh weg von ihm, Franz.«
    Icherios blickte verwirrt von einem zum anderen. Was ging hier vor?
    »Erklärt es mir erst«, verlangte die Werratte.
    »Mein Bruder hatte in seiner Kindheit das zwanghafte Bedürfnis, überall Doppelspiralen zu zeichnen. Später legte es sich, aber ganz verschwand der Tick nie.«
    Franz zögerte, dann wandte er sich an Icherios. »Du bist uns eine Erklärung schuldig.«
    Was sollte er nun tun? Er durfte der Werratte nicht vertrauen. Die Spuren an der Leiche des Puppenmachers waren eindeutig gewesen. Steckte Gismara etwa auch mit ihm unter einer Decke? Oder verriet er die Hexe ebenso?
    »Ich erzähle Gismara alles, was ich weiß, aber nur ihr allein.«
    Franz blickte ihn überrascht und verletzt an.
    »Das ist zu gefährlich«, protestierte Silas.
    »Ich fürchte mich nicht vor dem Knaben.« Die Hexe forderte die Männer mit einer unmissverständlichen Geste auf zu gehen. Murrend gehorchten sie.
    »Keine Dummheiten«, warnte sie den jungen Gelehrten.
    Icherios nickte und ging mit ihr in seinen Arbeitsraum, da dieser am schwersten von außen zu belauschen war. Fieberhaft suchte er nach einer Ausrede, doch dann beschloss er, ihr die Wahrheit zu sagen. Er kam allein nicht weiter und hatte nichts mehr zu verlieren.
    Während er seine Geschichte erzählte, weiteten sich Gismaras Augen. Ab und an stellte sie ihm eine Verständnisfrage, blieb aber ansonsten stumm und erschüttert sitzen. Iche­rios stand zwischendurch immer wieder auf und wanderte auf und ab.
    »Und auf welcher Seite steht Ihr?«, schloss er seinen Bericht.
    »Ich habe geschworen, den Menschen zu helfen. Der Gedanke ist verlockend, in einer Welt zu leben, in der ich nicht allein für das getötet werde, was ich bin. Aber ich könnte weder mit dem Tod von unzähligen unschuldigen Seelen leben noch in einer Welt existieren, in der die magischen Wesen Rache an den Menschen nehmen. Zudem hat der Bund meinen

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