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Der Kraehenturm

Der Kraehenturm

Titel: Der Kraehenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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dem Fürsten von Sohon erklären, dass seine Schwester bei einem Ausflug, der ihrem Vergnügen hatte dienen sollen, umgekommen war?
    »Jemand rammte ihr einen Pflock in den Leib und trennte ihren Kopf ab.« Avrax’ Stimme brach. »Ihr wart ihr sehr wichtig.«
    Eine weitere Schuld, die Icherios auf sich geladen hatte. Die Last drückte ihn nieder. Er hätte sie besuchen sollen, sich ihr anvertrauen, vielleicht wäre sie dann noch am Leben.
    »Also ist Franz unschuldig«, stellte Gismara fest.
    Avrax nickte. Daraufhin beschlossen sie, die beiden Männer dazuzuholen und zu beraten, was sie als Nächstes tun sollten.
    Die Entscheidung war einfach: Sie mussten mit Auberlin reden und zumindest versuchen herauszufinden, wer alles hinter dem Bund steckte. Sollte er sich weigern, den Schattenverschlinger freizulassen, würden sie ihn töten müssen. Obwohl Franz und Silas dem Glasfürsten misstrauten, fast so sehr, wie sie eine Abneigung füreinander empfanden, ließ dieser sich nicht davon abbringen ihnen zu helfen. Er wollte Rache für den Tod seiner Liebsten.

44
    Der Schattenverschlinger
    G
    22. Novembris, Heidelberg
    G emeinsam stiegen sie die Wendeltreppe zu Auberlins privaten Räumen hinauf. Gismara klopfte an und bat um Einlass. Sie war die Einzige, die schon mal in seinen Gemächern gewesen war.
    Der Leiter des Magistratum forderte sie auf einzutreten. Er klang ruhig, so als wüsste er nicht, wer ihn da aufsuchte. Doch als sie die Tür geöffnet hatten, konnten sie die Schatten sehen, die herumwirbelten und über die Lampen strichen. Sie erzeugten ein bizarres Wechselspiel aus Licht und Dunkelheit.
    »Glaubt Ihr, ich wüsste nichts von Eurem Verrat?« Auberlin trat hinter einem niedrigen Schreibtisch hervor. Der ganze Raum war mit Büchern und Pergamenten übersät, auf dem Boden war ein großes Heptagramm eingebrannt, an dessen Ecken schwarze Kerzen standen. Die Decke wurde von einem nur über eine Leiter erreichbaren Regal gesäumt, auf dem kleine Flaschen, Tiegel, Dosen und Mörser lagerten und an dessen Unterseite die verschiedensten Kräuter, Krähenfüße, Taubenschnäbel und derlei hingen.
    Avrax wollte nach vorne springen, doch sofort schnellte der Schatten zwischen ihn und Auberlin und bildete eine schützende Barriere.
    »Euer kleines Haustier kann mir nicht schaden«, spottete der Glasfürst.
    »Euch nicht, aber Euren Begleitern. Wollt Ihr noch eine tote Frau in den Armen halten?«
    Zähneknirschend trat Avrax einen Schritt zurück.
    Gismara starrte ihren ehemaligen Mentor mit aufgerissenen, tränengefüllten Augen an. »Wie konntest du dich so verändern?«
    Auberlin lachte verächtlich. »Du hast die Wahrheit nie sehen wollen. Dein eiskaltes Gebaren ist doch nur eine Maske. Sobald ein Mann bereit ist, sich dein Wehklagen anzuhören, bist du ihm ein williges Werkzeug.«
    Der Ausdruck von Trauer machte blankem Hass in Gismaras Gesicht Platz.
    Icherios wagte sich einen Schritt nach vorn. Der Schattenverschlinger hatte ihn bereits infiziert, er konnte vielleicht wagen, dessen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, damit die anderen Gelegenheit erhielten, Auberlin auszuschalten.
    »Ihr habt Vallentin töten lassen.«
    Der Leiter des Magistratum nickte. »Einer von Freybergs kleinen Spitzeln. Er hätte seine Nase nicht in meine Angelegenheiten stecken sollen.«
    »Aber was versprecht Ihr Euch vom Fall des Schleiers? Ihr seid doch auch nur ein Mensch.«
    »Ein Mann, dem die Dankbarkeit der zukünftigen Herrscher Europas gewiss sein wird. Kein Mensch wird über mir stehen.«
    Icherios war erschüttert von so viel Machtgier. »Und dafür verratet Ihr die Prinzipien des Ordo Occulto?«
    »Welche Prinzipien?«, höhnte Auberlin. »Wir sollen doch die Magie erforschen. Wie könnte man das besser, als durch die Freiheit für die Magie und ihre Geschöpfe? Glaubt Ihr, der Mensch hat das Recht zu bestimmen, wer auf der Welt existieren darf und wer nicht?«
    Für einen Moment keimten Zweifel in dem jungen Gelehrten auf. Er hatte immer geglaubt, Magie wäre das Unnatürliche, dabei war die Welt, wie er sie kannte, nur ein von Menschen geschaffenes, künstliches Produkt. Er würde noch lange darüber nachdenken müssen, doch gleich, zu welchem Entschluss er kommen würde, er durfte nicht zulassen, dass der Schleier fiel. Zu viele Menschen würden sterben.
    »Sagt uns, wie wir das aufhalten können, und ich verspreche Euch, dass wir Euch am Leben lassen werden.«
    »Ihr kommt zu spät«, lachte Auberlin.
    »Jetzt reicht es.«

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