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Der Kraehenturm

Der Kraehenturm

Titel: Der Kraehenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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Silas, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, sprang nach vorn.
    Der Leiter des Magistratum hob die Hand, und der Schatten zog sich zusammen wie eine sprungbereite Spinne. »Keinen Schritt näher.«
    »Er ist mein Bruder, er wird mir nichts tun.«
    »Silas, nicht.« Gismara versuchte, seinen Arm zu greifen, doch er schüttelte sie ab.
    »Zacharas ist tot«, höhnte Auberlin. »Ich löschte seinen nervtötenden Verstand aus.«
    Der Hexenjäger ignorierte ihn und ging langsam weiter. »Zach, erinnerst du dich noch daran, wie wir beim Äpfelstehlen erwischt wurden und du die ganze Schuld auf dich genommen hast? Ich weiß, dass du mir nichts tun wirst.«
    Auberlin runzelte die Stirn. »Genug. Setz dem ein Ende.«
    Der Schatten erhob sich, schwebte auf Silas zu und umhüllte ihn. Ein surrendes Geräusch erklang, als der Schattenverschlinger um die Gestalt des Hexenjägers wirbelte, sodass Icherios nur noch die Lippenbewegungen sah, aber nicht mehr hörte, was Silas zu seinem Bruder sagte.
    Plötzlich hielt der Schatten an, dann fiel er in sich zusammen und bildete eine kleine Kugel zu den Füßen des Hexenjägers.
    »Jetzt bist du fällig.« Er blickte herausfordernd auf Auberlin, holte mit seinem Schwert aus und stürzte sich auf ihn. Dieser gab sich jedoch nicht so schnell geschlagen. Blitzschnell warf er sich zur Seite und entleerte einen Beutel mit dunkelrotem Pulver über Silas. Dann griff er nach einer brennenden Kerze und holte aus, um sie auf den Hexenjäger zu schleudern. Doch in diesem Moment flog der Schattenverschlinger auf Auberlin zu und schloss sich wie ein Kokon um ihn. Der Leiter des Magistratum riss den Mund zu einem Schrei auf. Die Schwärze floss in seinen Rachen und drang in seine Augen, bis sie gänzlich verschwunden war. Zurück blieb ein blasser, alter Mann mit starrem Blick. »Ich danke euch«, sagte er. »Silas, du wirst immer mein Bruder sein. Wenn ich nun zu Gott gehe, werde ich über dich wachen, ebenso über dich Gismara, meine liebe Freundin.«
    »Zacharas?« Tränen standen in den Augen des Hexen­jägers.
    »Ja. Mir bleibt nicht viel Zeit. Jetzt, wo Auberlins Bann über mich gebrochen ist, darf ich die Unendlichkeit verlassen.«
    »Was ist mit dem Burschen da hinten?« Gismara zeigte auf den jungen Gelehrten.
    Ein kleines, schwarzes Wölkchen drang aus Auberlins Mund, schob sich über den Boden zu Icherios’ Schatten und füllte die fehlenden Stellen auf.
    »Lebt wohl.« Auberlin riss die Augen auf, grelles Licht strahlte aus ihnen, sodass Icherios schützend seine Hände vors Gesicht hielt, dann brach Auberlin zusammen.
    Schluchzend sank Gismara in die Knie. Silas wollte ihr tröstend einen Arm um die Schulter legen, doch Franz kam ihm zuvor und legte ihren Kopf an seine Brust.
    »Es ist noch nicht vorbei«, sprach Avrax in die Stille. »Ich spüre, dass der Schleier zerfällt.«
    Ein Klopfen hallte durch den Raum. »Jemand ist an der Tür«, murmelte Gismara. Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ein Zauber, den ich einst für dieses Schwein beschworen habe.«
    »Ich gehe«, bot sich Franz an. »Wir treffen uns in der ­Küche.«
    Schweigend trennten sich ihre Wege. Selbst Avrax schien von den Ereignissen der vergangenen Minuten bedrückt.
    Obwohl Icherios sich durch die Rückkehr seines Schattens kräftiger fühlte, spürte er zugleich eine Schwäche und sank, in der Küche angekommen, matt auf einen Stuhl. Würden sie jemals wieder gemeinsam hier sitzen, während Franz für sie kochte? Er bemerkte erst jetzt, wie sehr ihm dieses kleine Ritual ans Herz gewachsen war. Von draußen drang Geschrei an sein Ohr. Betrunkene Studenten, dachte der junge Gelehrte. Schnelle Schritte erklangen auf dem Flur, dann stürmte ein kreidebleicher Franz, gefolgt von Ehregott Kossa in die Küche.
    »Sie haben das Fragment! Draußen ist die Hölle los!«
    Der Priester musterte die Anwesenden. Auf Silas blieb sein Blick einen Moment länger hängen, dann wanderte er weiter.
    »Anscheinend wissen Sie bereits von den Machenschaften des Bundes. Der letzte Hüter, der Messdiener August, ist gefallen.«
    »Dieser eingebildete Fatzke war ein Hüter?«, platzte es aus dem Hexenjäger heraus.
    Gismara warf ihm einen strafenden Blick zu.
    »Wo ist das Fragment jetzt?«, fragte Avrax.
    »Es wurde aus seinem Versteck in der Trennwand der Heiliggeistkirche entwendet.«
    Ein Schrei erklang vom Hof. »Abolesco«, Gismara wischte mit der Hand durch die Luft. Schlagartig erloschen alle Lichter im Raum,

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