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Der Kraehenturm

Der Kraehenturm

Titel: Der Kraehenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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denen das Erdreich durchschimmerte, bis er von einem gleichmäßigen Kreis umgeben war. Im Geiste ging er noch einmal durch, was er alles eingepackt hatte, um sich zu vergewissern, nichts Wichtiges vergessen zu haben. Zahlreiche Bücher und persönliche Schätze hatte er allerdings zurücklassen müssen. Bei seinen Besuchen in Karlsruhe, um Freyberg Bericht zu erstatten, würde er sie nach und nach mitnehmen.
    Obwohl er so viele Kleidungsstücke übereinander trug wie möglich, um Platz in seinen Koffern zu schaffen, fröstelte er. Was ihn wohl erwarten mochte? Sollte es tatsächlich so etwas wie eine Geisterkutsche geben, die man nur sehen konnte, wenn die Nacht von einem Blitz erhellt wurde? Icherios seufzte. Das klang schon wieder viel zu sehr nach Magie.
    Das Geräusch von Kirchenglocken ertönte und verkündete den Anbruch der unheiligen Stunde. In den Pausen zwischen den Schlägen glaubte er, das Trappeln von Hufen hören zu können. Mit einem lauten Ruf flog der Uhu davon. Eine Wolke schob sich vor den Mond, sodass sich das Land vollends verdunkelte. Dann erklangen die Glocken ein letztes Mal, die Wolke gab den Mond frei, und Icherios sah, wie eine große schwarze Kutsche auf ihn zuraste. Sechs nachtschwarze Pferde mit langen Mähnen und Schweifen, aus deren Nüstern weißer Dampf aufstieg, zogen das gespenstische Gefährt. Aus dem Inneren der Kutsche drang ein dunkles, rotes Licht.
    Er schluckte. Das Gefährt hielt direkt auf ihn zu. Fast wäre er aus dem Kreis herausgesprungen, als die Pferde kurz vor ihm die Hufe in den Boden gruben und die Kutsche krachend und knirschend abbremste, sodass sie mit der Tür vor seiner Nase zum Stehen kam. Icherios sah unzählige, in verzweifelten Schreien aufgerissene Münder, die über die ganze Kutsche verteilt ins Holz geschnitzt waren. Dann wanderte sein Blich zum Kutschbock, auf dem ein großer Mann mit Zylinder saß, ganz in roten Samt gekleidet. Blick ihm nicht in die Augen!, hallte Freybergs Warnung in seinem Kopf wider. ­Icherios fixierte schnell den Boden, als sich die Tür vor ihm wie von Geisterhand öffnete. Dann spürte er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter. Er zuckte zusammen und blickte instinktiv auf. Der Kutscher saß noch immer auf dem Kutschbock, die Zügel in erschreckend langen, behandschuhten Fingern haltend. Der Druck der Hand verstärkte sich, und er wurde ins Innere geschoben.
    Icherios wagte nicht sich umzudrehen, sondern senkte den Blick erneut zu Boden. Rasch verstaute er seine Koffer und setzte sich hin, woraufhin sich die Tür hinter ihm schloss. Dann zog die Kutsche auch schon mit einem gewaltigen Ruck an, wodurch er in den Sitz gepresst wurde. Erst jetzt bemerkte er, dass er nicht alleine war. Dicht in die Ecke gedrückt, saß ein Mann, der mehr Schatten als Mensch zu sein schien. Die Gestalt war in eine schwarze Robe gehüllt, deren Kapuze sie tief ins Gesicht gezogen hatte. Von dem Gewand stiegen kleine, schwarze Wölkchen empor, als würde die Dunkelheit verdampfen. Icherios zuckte vor dem Wesen zurück und rutschte weiter in die gegenüberliegende Ecke. Er schob den dunkelroten Vorhang zur Seite und spähte mit einem Auge hinaus. Die Kutsche raste durch die Nacht, schneller als ein Pfeil, so kam es ihm vor. Bei einem Sprung hinaus würde er sich alle Knochen brechen. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als mit diesem Wesen weiterzufahren.
    Dann züngelte ein Blitz in der Ferne über den Himmel und enthüllte einen schaurigen Anblick. Das Fleisch schien plötzlich von den Pferden abgefallen zu sein. Zurück blieben nur die galoppierenden Skelette.
    Icherios schloss die Augen. Erst nachdem das Licht des Blitzes erloschen war und das ruhige Mondlicht die Herrschaft zurückerobert hatte, wagte er es, sie erneut zu öffnen. Erleichtert stellte er fest, dass die Pferde wieder ihre ursprüngliche Gestalt angenommen hatten.
    Icherios kauerte sich noch tiefer in die Ecke und versuchte das Schattenwesen so unauffällig wie möglich im Auge zu behalten. Eine behandschuhte, klauenartige Hand, von der die Schwärze hinuntertropfte, schoss hervor und packte Iche­rios’ Handgelenk. Der Gelehrte keuchte und wollte sich losreißen, doch der Griff war eisern.
    »Tintenflecken«, schnarrte das Wesen. Seine andere Hand grub sich in Icherios’ Finger und zwang ihn, seine zur Faust geballte Hand zu öffnen. »Weiche Hände, die das Arbeiten nicht gewöhnt sind. Ihr seid ein Mann des Wissens? Oder wäret zumindest gerne einer?«
    Icherios biss

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