Der Kraehenturm
Gewalt und Tod.«
Silas verkniff sich ein verächtliches Schnauben. Die Zukunft eines jeden Besuchers des Mäuseschwanzes war mit Sicherheit nicht friedlich.
»Ihr sucht Antworten und werdet nie genügend finden.« Sie krallte sich an seiner Hand fest. »Ihr werdet lieben, was Ihr hasst, und schützen, was Euch den Tod bringt.«
»Das reicht«, Silas entzog ihr seine Hand. »Für derart kryptische Andeutungen bezahlen Euch die Männer?«
Die rote Witwe schüttelte den Kopf, wobei die Sehnen an ihrem Hals anmutig hervortraten.
»Nehmt Euer Geld, wenn Ihr mir nicht glaubt, aber seht Euch vor, ein Schatten liegt über Eurer Zukunft.«
Das übliche Geschwafel, um den Kunden Angst einzujagen und sie dazu zu bringen, ständig wiederzukehren, weil sie mehr über die Bedrohung erfahren wollten. Bei ihm würde das nicht funktionieren. Er setzte gerade dazu an, den Raum zu verlassen, als sie die Hand hob und ihn aufforderte zu bleiben.
»Wart Ihr nur an meinen Fähigkeiten als Hellseherin interessiert, als Ihr mich nach oben begleitet habt?«
Der Hexenjäger erstarrte. Hatte er sie richtig verstanden? Du solltest gehen, mahnte ihn seine innere Stimme, aber dem Lockruf einer schönen Frau hatte er noch nie zu widerstehen vermocht. Er trat von hinten an sie heran und ließ seine Finger über ihren Nacken gleiten. Ein leiser Seufzer drang über ihre Lippen, wodurch seine Leidenschaft entfacht wurde. Er fasste ihr sanft unter das Kinn, beugte ihren Kopf leicht nach hinten und küsste ihren Hals. Ihre Haut war so zart. Ihm fiel es schwer, sich zu beherrschen. Verführerisch drehte sie sich um, schenkte ihm ein Lächeln und legte ihre Lippen auf seine. Ihr Atem schmeckte süß, und als seine Zunge in ihren Mund glitt, konnte er Honig und Blutwurst kosten. Blutwurst? Für einen Moment hielt Silas verwirrt inne, dann besann er sich auf die schöne Frau und zog sie an sich. Ihr Körper war fest und gelenkig. Als sie ihre Finger unter sein Hemd schob und seine Brust streichelte, brandete das Verlangen ungezügelt in ihm auf. Vergiss das Eisen, war sein letzter Gedanke, bevor er mit ihr aufs Bett sank. Sie war erfahren, und ihre schlanken Hände schenkten ihm einen Höhenflug der Lust, während sie sich gegenseitig entkleideten. Als er in sie eindrang, wollte er ihr die Maske abnehmen, aber sie wich aus und verschloss seinen Mund mit ihren Lippen. Dann begann sie, sich rhythmisch unter ihm zu bewegen.
15
Karlsruhe
G
31. Octobris, Karlsruhe
J etzo, Jungchen, nimm dir einen Apfel.« Freyberg balancierte einen hohen Stapel Bücher auf einer Hand, während er Icherios eine Obstschale aus angelaufenem Kupfer hinhielt.
Zaghaft nahm sich der junge Gelehrte eine der rotwangigen Früchte. »Danke.«
»Setz dich«, der Chronist der Kanzlei zog einen von der andauernden Feuchtigkeit modrig riechenden Sessel herbei.
Icherios zuckte zusammen, als Dampf unter lautem Zischen aus den Rohren an der Decke schoss. Durch die Fenster hindurch konnte er Menschen, die sich wegen der Kälte in sich zusammenzogen, vorbeihasten sehen.
»Ich habe nicht viel Zeit.« Ihn quälten Müdigkeit und Kopfschmerzen. Die Reise mit der Geisterkutsche in der vergangenen Nacht hatte an seinen Nerven gezehrt. Fast hatte er sich den Doctore herbeigewünscht, als er einsam in der Ecke gekauert hatte. Zudem zürnte er dem Chronisten, dass er ihm verschwiegen hatte, dass Vallentin für den Ordo Occulto gearbeitet hatte und vielleicht sogar wusste, warum sein Freund gestorben war. Sein Vertrauen in den Leiter der Kanzlei war erschüttert. »Nun gut, Jungchen, was hast du zu berichten?«
Icherios hatte sich während der Herfahrt bereits Gedanken darüber gemacht, was er Freyberg anvertrauen durfte, dennoch fühlte er Unsicherheit in sich aufsteigen.
»Die Universität ist enttäuschend.«
Freyberg wackelte mit dem Kopf. »Jetzo, als ich dich kennenlernte, warst du bereit, alles zu geben, um dort studieren zu können.«
Der junge Gelehrte setzte sich in den feuchten Sessel, um seine Antwort etwas verzögern zu können. War er undankbar?
»Das stimmt, und ich bin dankbar für diese Möglichkeit, doch Ihr wolltet einen Bericht.«
»Verkauf mich nicht für dumm, Jungchen. Du weißt, dass meine Interessen anderem gelten.«
»Eine Hexe und eine Werratte arbeiten im Magistratum.«
»Gismara und Franz.« Freyberg nickte.
»Ansonsten kann ich von keinen besonderen Vorkommnissen berichten.«
»Kannst du nicht, oder willst du nicht?«
Icherios errötete und senkte
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