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Der Kraehenturm

Der Kraehenturm

Titel: Der Kraehenturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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überzeugend. »Selbstverständlich. Braucht Ihr eine Stütze? In Eurem Alter muss man vorsichtig sein.«
    Franz drehte sich hüstelnd ab. Sie wusste genau, dass er lachte, während Auberlin sie zornig anstarrte.
    Schweigend gingen sie in sein Büro. Nachdem der alte Mann die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, kam er ohne Umschweife zur Sache. »Du musst etwas für mich erledigen.«
    Es bedeutete nichts Gutes, wenn Auberlin so direkt war. Das hieß, dass er sie so wütend machen würde, dass es auch keinen Unterschied gemacht hätte, wenn er sie vorher noch in gute Stimmung versetzt hätte. Wütend wäre sie so oder so geworden.
    »Ich bin bereits mit deinem anderen Auftrag beschäftigt.«
    »Sie hängen zusammen.«
    Gismara starrte ihn erbost an. Warum hatte sie ihm jemals Treue geschworen?
    »Hazecha besitzt einen Ring. Ich will, dass du ihn mir besorgst.«
    »Reicht es nicht, dass ich meine eigene Art verrate? Nun soll ich sie auch noch bestehlen?«
    »Ich weiß, wie schwer es dir fällt, aber es ist wirklich wichtig.« Beschwichtigend legte er eine Hand auf ihre Schulter. Wütend schüttelte sie sie ab.
    »Sie trägt keine Ringe.«
    »Dieser liegt in ihrem Gemach in einer Schatulle.«
    »Sie lässt niemanden in ihr Schlafzimmer.«
    »Ihre Geliebte schon«, widersprach Auberlin. Der Satz hing einen Moment im Raum.
    »Das kannst du nicht verlangen!«, keuchte Gismara. »Ich werde nicht zu einer Hure!« Hazecha war wunderschön und aufregend, aber sie verführen zu müssen, um sie bestehlen zu können, war schlimmer als jeder Verrat. »Es würde sie umbringen, von einer Frau derart hinters Licht geführt zu werden.«
    »Sie muss es nicht erfahren.«
    »Und falls doch? Sie hasst schon jetzt jeden Mann, was glaubt Ihr, was sie mit ihrer Macht anrichten wird, wenn sie auch die Frauen nicht mehr verschonen will?«
    »Deshalb brauche ich den Ring. Sie ist zu mächtig.«
    Gismara wurde hellhörig. Er log nicht, das konnte sie spüren, aber er verschwieg etwas. Irgendetwas schwang in seinen Worten mit.
    »Wie sieht er aus?«
    Gismara wusste, dass sie keine andere Wahl hatte, als ihm zu gehorchen. »Wie ein goldener Ehering. Vermutlich verbirgt sie ihn in einem Kästchen aus Ebenholz.«
    »Ich will nur hoffen, dass es auch wirklich wichtig ist. Ich warne Euch.« Gismara wandte sich ab und stürmte mit rauschenden Röcken aus dem Zimmer. Die Tür fiel mit einem Knall ins Schloss.
    Auberlin blickte ihr hinterher und lächelte. Alles entwickelte sich nach Plan.
    Wütend schlug Gismara gegen die vierte Tür, die aus dem Magistratum führte. »Verfluchte Dinger. Nicht mal verschwinden kann man so schnell, wie man will.« Schluchzend sank sie zu Boden. Sie erlaubte sich die Schwäche nur für wenige Augenblicke, denn sie wollte Auberlin das Wissen nicht gönnen, sie so sehr verletzt zu haben. Dann stand sie auf und strich ihr Kleid glatt. Äußerlich gefasst öffnete sie die letzten Türen und eilte nach Hause. Das Magistratum ließ sie unverschlossen zurück. Sollten sie doch die Trolle holen!
    In ihrer Wohnung angekommen legte sie sich in ein heißes Bad, in das sie Rosenblüten und Veilchenessenz gab; so erwartete sie die Nacht. Aber sie kam nicht wirklich zur Ruhe. Sie brauchte Ablenkung. Dann dachte sie an den Mäuse­schwanz und dass sie dort immer auf andere Gedanken kam.
    Sie hüllte sich in ein warmes, weiches Handtuch und wählte ein tiefrotes Kleid, einen spitzen, ebenfalls roten Hut und passende Handschuhe aus. Dann setzte sie ihre kunstvolle Maske auf, die ihre Augenpartie bedeckte. Im Mäuseschwanz, wo sie als Wahrsagerin arbeitete, war sie als rote Witwe bekannt. Dank der Bestrebungen des Wirtes konnte sie ihrem Gewerbe ungestört nachgehen. Ab und an fand sie dort sogar einen Mann, der ihren Ansprüchen genügte und mit dem sie sich vergnügen konnte. Das war es, was sie heute brauchte. Einen hübschen Kerl, der sie für einige Stunden die Realität vergessen ließ.

14
    Der Mäuseschwanz
    G
    29. Octobris, Heidelberg
    S ilas saß über einen Krug Bier gebeugt in einer dunklen Ecke des Mäuseschwanzes. Es war schwierig gewesen, sich heimlich davonzustehlen, aber er hatte es keine Minute länger bei den Betbrüdern ausgehalten. Nicht heute, nicht an dem Tag, an dem er seinen Bruder zu Grabe getragen hatte und nicht mal seine Trauer hatte offen zeigen können. Ehregott Kossa hatte, unterstützt von August, die Trauerfeier abgehalten, allerdings so steif, als wenn ihm ein Stock im Hintern gesteckt hätte. Silas’

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